OpenAI sägt Hälfte der KI-Startups ab – und dann fast sich selbst

Mit den Updates für ChatGPT und GPT-API macht OpenAI die Hälfte der KI-Startups obsolet. Ohne Umdenken wird sich das in Zukunft wiederholen, meint Danny Gerst.

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(Bild: Camilo Concha / Shutterstock.com)

Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Danny Gerst
Inhaltsverzeichnis

OpenAIs DevDay 2023, die erste (und vielleicht letzte) Entwicklerkonferenz des Unternehmens, hat die KI-Branche grundlegend erschüttert. OpenAI überraschte nicht nur mit Updates für ihre Plattform, sondern setzte diese auch unmittelbar und ohne Vorwarnung in Kraft. Das trifft besonders Start-ups hart, die auf Produkten basieren, die als Schnittstellen zu den OpenAI-Modellen fungierten. Über Nacht sind extrem viele dieser Tools obsolet geworden. Jetzt kommen die GPTs, die viele Use Cases abdecken, für die sich bis jetzt Drittanbieter gegründet haben. Start-ups, die jetzt auf das Verketten der GPTs spekulieren, sollten sich bewusst sein, dass OpenAI ihnen da mit dem nächsten großen Update wieder die Geschäftsgrundlage entziehen wird.

iX-Autor: Danny Gerst

Danny Gerst ist seit 30 Jahren in der Softwareentwicklung und Beratung tätig. Als Strategieberater und Visionär für den Mittelstand ist er regelbasierten Systemen bis zum KI-Zeitalter gefolgt.

Aber einmal von Anfang an: Wie ist dieser volatile Markt überhaupt entstanden? Mit dem Release von ChatGPT erlebte die KI-Branche eine signifikante Wende. Das System ermöglichte erstaunlich gute Ergebnisse ohne die Notwendigkeit des komplexen Prompt Engineerings und zog dadurch schneller neue Nutzer an als bis dahin jede andere Plattform. Die einfache Bedienung des Systems führte zur Gründung von Tausenden neuer KI-Startups. Diese Unternehmen konzentrierten sich hauptsächlich darauf, benutzerfreundliche Oberflächen zu entwickeln, die um speziell angepasste Prompts für bestimmte Anwendungsfälle herum aufgebaut waren. Im Wesentlichen fungierten diese KI-Tools als schlanke Schnittstellen zu ChatGPT. Diese Tools lassen sich unter dem Oberbegriff dünne Wrapper zusammenfassen.

Die jüngste Entwicklung von OpenAI ist wie ein Erdbeben, das die Landschaft der KI-Tools erschüttert, insbesondere jene, die lediglich als dünne Wrapper der KI-Modelle von OpenAI fungierten. Mit der Einführung der Custom GPTs hat OpenAI den Markt grundlegend verändert. Die Custom GPTs vereinen Funktionen, die zuvor von zahlreichen Start-ups bereitgestellt wurden, in einem einzigen, leistungsstarken Werkzeug. Diese Integration, zusammen mit der Möglichkeit, eigene GPTs im GPT Store zu monetisieren, hat direkt einen neuen Innovations- und Wettbewerbsschub ausgelöst. Die Nachfrage ist so groß, dass Sam Altman die Upgrades auf die Plus-Mitgliedschaft am 15. November 2023 aussetzen musste, während OpenAI für bestehende Kunden gleichzeitig wieder ein Nutzungslimit eingeführt hat.

Das Erstellen und Veröffentlichen der GPTs ist simpel und funktioniert bequem über den Chatbot selbst. Nicht alle generativen KI-Tools werden durch die GPTs überflüssig; Unternehmen, die echten Mehrwert bieten, können das weiterhin als Wettbewerbsvorteil nutzen. Es wird jedoch immer deutlicher, dass bloße technische Kompetenz nicht mehr ausreicht, um sich in dieser Branche zu behaupten. OpenAI selbst etabliert sich zurzeit nicht nur als Entwickler, sondern als zentrale Plattform im KI-Ökosystem, vergleichbar mit der Rolle von Apple und iTunes.

Aus aktuellen Vorträgen von OpenAI und Forschungsberichten von Microsoft geht hervor, dass der nächste Schritt zu besseren Modellen nicht reines Skalieren ist. Der Trend geht von größeren zu kleineren, spezialisierten Modellen. Wenn Experten aktuell von AGI (Artificial General Intelligence) sprechen, vermuten sie dahinter kein einzelnes Supersystem, sondern ein Netzwerk aus abertausenden kleiner Modelle. Das Erschaffen einer AGI ist auch das erklärte Ziel von OpenAI. Tools wie ChatDev oder AutoGen von Microsoft ermöglichen bereits jetzt, kleinere Modelle oder KI-Agenten zu kombinieren, um gemeinsam komplexe Ziele zu erreichen – das System stützt sich dabei oft noch auf OpenAI. Das Unternehmen lädt nun die gesamte Menschheit dazu ein, mit Custom GPTs Hunderttausende spezialisierte Modelle zu erstellen. Das einfache Erstellen dieser Modelle wird im GPT Store zu hohem Konkurrenzdruck führen, bei dem sich schlussendlich hoch spezialisierte GPTs durchsetzen werden.

Mittelfristig entstehen hier sicherlich neue Start-ups, die jetzt diese GPT-Agenten kombinieren. Etwa in einem SEO-Bot, der aus spezialisierten GPTs wie HeadlineBOT, OutlineBOT, KeywordRechercheBOT, CompetitionAnalyserBOT und CopyWritingBOT besteht. Und schon bald werden die ersten KI-Agenten voll autonom laufen. Das hat OpenAI mit der Assistenz API bereits bedacht. Die Kommunikation zwischen all den Modellen und Schnittstellen wird durch die neu vorgestellte JSON-Funktion reibungslos sein. Wir werden uns daran gewöhnen und es dürfte dann niemanden verwundern, wenn im nächsten Jahr eine entsprechende, all umfängliche Kommunikationsplattform von OpenAI eingeführt wird und wieder einen Teil der KI Start-ups vom Tisch fegt.

Dass nicht nur der Markt für OpenAI-abhängige Start-ups volatil ist, hat das aktuelle Drama um das Feuern und Wiedereinstellen des OpenAI-CEOs Sam Altman gezeigt. Das Board, das den vertrauenswürdigen und sicheren Umgang mit KI-Systemen überwachen sollte, feuerte Altman wegen mangelndem Vertrauen und Unehrlichkeit gegenüber dem Gremium. Blitzartig stellten sich OpenAI-Präsident Greg Brockman und fast alle der 800 Angestellten hinter den Geschassten und Microsoft umwarb die beiden Chefs fast sofort mit einem Angebot für ein eigenes KI-Team im eigenen Unternehmen. Schlussendlich sind dann doch alle bei OpenAI geblieben oder wieder angestellt worden. Nur die Zweifler an Altman im beaufsichtigenden Board mussten gehen. Besonders Microsofts Begierde an der Aufnahme der OpenAI-Angestellten zeigt das Potenzial der Technik und das riesige wirtschaftliche Interesse daran.

Denn die Entwicklungen im Bereich der generativen KI werden unseren Umgang mit Informationen und dem Internet sicherlich grundlegend verändern. Nach der Einführung von ChatGPT gab es Gerüchte, dass SEO überflüssig wird und niemand mehr Google brauchen würde. Auch Google selbst rief beim Aufkommen von ChatGPT damals Alarmstufe rot aus. Was jedoch oft übersehen wird, ist, dass das gesamte Internet so wie wir es kennen, langsam stirbt. Die Rolle der Informationsvermittlung wird zunehmend von KIs übernommen. Statt Bücher zu lesen, werden wir bald ein GPT auf der Basis dieser Bücher erstellen und das KI-System nutzen, um den Inhalt direkt für unseren Anwendungsfall bereitzustellen. Dies birgt ein enormes Potenzial zur Zeitersparnis, da wir immer weniger auf Vorrat lernen müssen und uns auf das unmittelbar Relevante konzentrieren. Auch bei Nvidia scheint das die Zukunftsvision zu sein. Nvidia-CEO Jensen Huang drückte es auf der diesjährigen Computex in Taiwan so aus: "Informationen werden künftig durch KI zerlegt, angereichert und dann wieder zusammengeführt, was die Art und Weise, wie wir Informationen konsumieren und verarbeiten, grundlegend verändern wird."

Die ersten Schritte davon werden wir in den kommenden Monaten anhand von GPTs und AutoGen deutlich sehen. Beide, in Kombination mit der OpenAI Assistant API, werden die Entwicklung von KI-Apps vereinfachen und beschleunigen. Jeder, der ein KI-Startup gründen möchte, sollte die Strategie von OpenAI und insbesondere die Aussagen von Unternehmensvertretern in Interviews genau beobachten. So vermeidet man Überraschungen bei zukünftigen Ankündigungen von OpenAI, beispielsweise auf dem nächsten DevDay, wo möglicherweise erneut viele KI-Startups ins Wanken geraten. Ideal wäre es, zunächst eine Idee zu entwickeln, die auch ohne KI funktioniert und dann durch KI unterstützt wird. Auf diese Weise kann man von den neuesten Entwicklungen profitieren, anstatt von ihnen überrannt zu werden.

(pst)