Podcast-Doku über Anonymous: Eine Reise in das Revier der Hacker und Trolle

Eine sechsteilige Doku-Podcast-Reihe wandelt auf den Spuren des Anonymous-Kollektivs. Wie viel ist Show? Wie viel Ernst? Heise online konnte vorab reinhören.

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(Bild: Undone/rbb/NDR)

Lesezeit: 4 Min.
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Zu den größten Vor-, aber gleichzeitig auch Nachteilen des Internets zählt, dass es den einzelnen Menschen rasant und vom Wohnzimmer aus in eine unglaublich mächtige Position hieven kann. Milde Beispiele sind: Lippenstift-Influencerinnen beeinflussen, kaum dem Jugendzimmer entwachsen, Millionen von jungen Frauen, welche Produkte sie kaufen sollen. YouTuber stellen mit bescheidendem Finanzaufwand mächtige Filmstudios mit tausenden Mitarbeitern in den Schatten und Entwickler bauen als Indie-Devs kluge Apps, die früher keinen Vertrieb gefunden hätten. Das Netz hat aber auch Trollen und Hackern eine gewaltige Spielwiese eröffnet – mal zum Wohl, Erstgenannte vor allem zum Schaden der Allgemeinheit.

Das Hacker-Kollektiv Anonymous ist auch so ein Produkt des Netzes, das viele Menschen fasziniert und zugleich erschreckt. Seine Ursprünge hatte es im 4chan-Messageboard. Es ist eine lose Gruppe, scheinbar ohne feste Strukturen, ohne Anführer. Es bedient mit seinen "Bekennervideos" das Bild, das viele Menschen durch Film und Fernsehen von Hackern haben. Die Hackerattacken reichen vom Niveau eines Dumme-Jungen-Streichs, in Gestalt einer DDoS-Attacke, bis zum professionellen Hack mit der Erbeutung sensibler Daten. Und mal erscheinen die Aktionen nur blödsinnig, mal folgen sie ernsten politischen Motiven und sollen der gerechten Sache dienen.

Diesem Filmstoff, der sich – die Guy-Fawkes-Maske lässt grüßen – selbst aus Filmmotiven speist, hat jetzt die Berliner Podcast-Firma Undone zusammen mit rbb und NDR eine sechsteilige Doku-Podcast-Reihe gewidmet. Sie heißt "Legion: Hacking Anonymous".

Das Team von Reporterinnen und Reportern um Khresrau Behroz, der zugleich als Sprecher durch die Reihe führt, und Patrick Stegemann begibt sich darin auf die Spur des Kollektivs. Sie besuchten Mitglieder zu Hause in verschiedenen Ländern Europas und versuchen einzuordnen, was digitales Seemannsgarn ist und was wirklich dran ist am Hacker-Kollektiv. Heise online hatte Gelegenheit, die ersten beiden Folgen, die am Sonntag, 23. Oktober, erscheinen, vorab zu hören.

Verpackt in eine atmosphärische Reise, untermalt mit für den Podcast eigens komponierter Musik, hat die Reihe definitiv Unterhaltungswert. In der ersten Folge landen die Hörer in einem ehemaligen Gasthof, wo Robert wohnt. Und gleich hier werden die absurden Kontraste deutlich, dass ein Mann aus der Einöde eines verblühten Dorfes heraus eigenmächtig und selbstgerecht über seinen Computer geradezu gefährlich in einen geopolitischen Konflikt mit Russland eingreift. Robert hackte einen russischen Produktionsbetrieb. Ein Angriff, der das Zeug hat, die Gräben zwischen West und Ost noch tiefer zu reißen. Und vor allem wurde er motiviert durch eine persönliche Emotion, die zwar nachvollziehbar ist, die aber zugleich so erschreckend persönlich und kleinteilig ist, dass einem dieser Mann gleichzeitig sympathisch und unheimlich erscheint.

Die ersten beiden Folgen greifen aber auch die Frage auf, inwieweit Anonymous wirklich eine Crowd-Bewegung ist. Oder ob sich möglicherweise internationale Geheimdienste dort einklinken und als Plattform für False-Flag-Operationen nutzen. Wie Anonymous seine Angriffe umsetzt, wird teilweise auch beleuchtet. Da sich die Serie an ein breites Publikum richtet, sollten Interessierte aber keine komplett neuartigen Erkenntnisse erwarten.

Wie viel an Anonymous ist noch, dem Ausgangspunkt entsprechend, eine Spaß- und Trollbewegung? Und wie stark müssen die Aktivisten angesichts ihrer Professionalisierung gefürchtet werden? Die ersten Folgen machen definitiv Geschmack darauf, sich auch die restlichen Episoden anzuhören.

Die ersten beiden Folgen der Podcastreihe "Legion: Hacking Anonymous" sind ab 23. Oktober in der ARD Audiothek sowie auf gängigen Podcast-Plattformen abrufbar. Weitere Teile erscheinen jeweils sonntags. Zudem wird die Reihe in den Radiosendern N-JOY, rbbKultur und radio eins ausgestrahlt.

(mki)