Pro & Contra: Verzettelt sich Apple?

Während es zu Steve Jobs’ Glanzzeiten nur wenige Modelle gab, kommen jetzt immer mehr unterschiedliche Produkte auf den Markt.

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Artikel aus Mac & i Heft 6/2014, S. 35

Unter einer zu breiten Produktauswahl könnten Qualität und Support leiden, fürchtet Raimund Schesswendter.

Apples Produktpalette ist unübersichtlich geworden: Kein Wunder bei vier MacBook-Air-, sechs MacBook-Pro-, sechs iMac-, zwei Mac-Pro- und drei Mac-mini-Modellen – wohlgemerkt, ohne die Built-to-Order-Konfigurationen. Dazu kommen vier iPhones und fünf iPads. Von der Apple Watch wird es unzählige Varianten geben. Und die Palette wächst weiter: Am Horizont wartet ein "iPad Pro" mit riesigem Display und wieder neuer Auflösung. Die Auswahl irritiert und fällt immer schwerer. Apple hat den Nimbus verloren, die ergonomischste Gehäusegröße, die richtige Komponentenwahl und das optimale Modell für mich schon vorbereitet zu haben.

Heute muss man sich fürchten, die falsche Entscheidung zu treffen. Das erinnert an die neunziger Jahre, als Apple kurz vor der Pleite stand und 33 verschiedene Macintosh-Computer anbot. Niemand konnte die zum Teil baugleichen Modelle auseinanderhalten – erinnert sich noch jemand an das Desaster mit den Performas und Power Macs? Eine der ersten Amtshandlungen von Steve Jobs nach seiner Rückkehr zu Apple war, die Produktpalette aufzuräumen. Ein ordentliches Sortiment mit iMac und iBook, PowerBook und Power Mac war Teil seines Erfolgsrezepts für die Kehrtwende.

Apples neue Vielfalt zieht auch im Software-Bereich Probleme nach sich. Schon jetzt sehen Apps nicht mehr auf jedem iPhone gleich gut aus. Ich glaube nicht, dass Apple so viele Geräte von gleichbleibend hoher Qualität produzieren und in den nächsten Jahren optimalen Hard- und Software-Support dafür leisten kann. Das iOS-Update auf 8.0.1, das bei den iPhone-6-Modellen die Mobilfunkverbindung und den Touch-ID-Sensor lahm legte, gibt mir recht. Nach jeder Aktualisierung schimpfen Nutzer über sinkende Akkulaufzeiten oder abbrechende WLAN-Verbindungen. Apple muss zurück zu einer klaren Linie, sonst geht das verloren, was das Unternehmen und seine Produkte ausmacht. (rsr)

Jeremias Radke freut sich auf noch mehr Vielfalt in Apples Produktpalette – auch für kleinere Geldbeutel.

Bis vor kurzem schielte ich immer wieder ein bisschen neidisch ins Android- oder Windows-Lager: Dort gibt es für fast jeden Geschmack und Geldbeutel ein mehr oder weniger passendes Gerät. Nun beobachte ich mit Genugtuung, dass es vorbei zu sein scheint mit der herrischen Vorgabe, welches Produkt uns am besten zu gefallen hat. Jobs ließ iMacs und MacBooks mit spiegelnden Displays fertigen, weil er sie brillant fand. Aber die Menschen haben nun mal unterschiedliche Vorlieben. Die einen wollen ein kleines iPhone, die anderen ein großes. Die Preisspanne reicht inzwischen von 400 bis 1000 Euro, ein iPad bekommt man sogar schon für 239 Euro. Klasse, denn Manche haben viel Geld, viele haben wenig.

Apple braucht die Vielfalt, um gegen die riesige Konkurrenz bestehen zu können. Eine Fragmentierung wie im Android-Lager müssen wir trotzdem nicht befürchten. Dort gibt es tausende unterschiedliche Smartphones, Apple bietet gerade mal vier. Der Markt wollte iOS-Phablets, warum sollte er sie nicht bekommen? Tim Cook hat richtig erkannt, dass Apple sich selbst kannibalisieren muss, denn sonst machen es Samsung & Co. Er ist nicht das Problem, sondern die Lösung. Seit Cook das Ruder übernommen hat, werden Nutzerwünsche ernst genommen.

Erst traute sich Apple mit dem iPad mini auf den Markt, dann folgte das quietschbunte iPhone 5c und eine edle Goldvariante des 5s. Damit erschließt Apple neue Käuferschichten. Und mit der Apple Watch schwört der Konzern dem Konzept "ein Modell für alle" offensichtlich vollständig ab. Wer unterschiedliche Bedürfnisse bedient, zieht neue Kunden an. Das Konzept geht auf, schließlich verkaufen sich auch die neuen iPhones wieder besser als jede Generation zuvor. Viele Android-Jünger steigen um. Das gefällt nicht nur den Aktionären und den Kunden, sondern auch mir. Ich bin überzeugt, in Cupertino wissen sie immer noch am besten, wie man vollendete Produkte baut. (jra)

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