Verkauf von AVM analysiert: Honig um den Mund geschmiert – aber was bleibt?

Der künftige Eigner von AVM will den Hersteller langfristig besser aufstellen. Klingt gut – doch geht damit die Fritzbox-Tradition verloren?

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AVM-Router Fritzbox 7590 AX

(Bild: c't)

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Benjamin Pfister
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Pünktlich zum zwanzigsten Geburtstag der Fritzbox haben die Gründer und geschäftsführenden Gesellschafter des Herstellers AVM ihre Nachfolge geregelt. Kurzfristig ändert sich dadurch sicherlich nichts. Es stellt sich aber die Frage nach der langfristigen Perspektive. Zudem kommt die Übernahmeankündigung kurz nach Veröffentlichungen zu Geldbußen durch das Kartellamt. Welche Aussichten gibt es jetzt für diese hiesige IT-Tradition?

Zunächst einmal kam der Verkauf nicht überraschend: Bereits im September 2023 wurde bekannt, dass die Gründer nach einem Nachfolger suchen. Der Investor Imker Capital Partners steigt nun mit Mehrheitsanteil bei AVM ein. Imker investiert nach eigenen Angaben sowohl in private als auch in öffentliche Wertpapiere, wobei der Schwerpunkt auf Europa liegt. Zudem betonen sie auf ihrer schmalen Webseite das Ziel langfristiger Wertschöpfung. Die Gründer von AVM – Johannes Nill, Peter Faxel und Ulrich Müller-Albring – behalten Minderheitsanteile als Gesellschafter und fungieren im Beirat. Immerhin: 2023 erarbeiteten 890 Angestellte bei AVM einen Umsatz von 580 Millionen Euro, 2022 soll der Gewinn 80 bis 90 Millionen Euro betragen haben. Zum Verkaufspreis gab es jedoch keine Angabe seitens AVM.

Der Übergang ist nach aktuellen Informationen zum 1. September geplant. AVM teilt in einer Pressemitteilung mit, dass man die Übernahme positiv sieht, da Imker nach Aussage von Johannes Nill die Vorstellungen zur Zukunft von AVM teile. Man möchte sich durch neue Produkte und eine verstärkte Internationalisierung neu aufstellen. Klingt nach einem sanften Wechsel – aber auch wenig konkret.

Trotzdem werden die neuen Investoren sicherlich etwas neuen Wind bei AVM einbringen. Es stellt sich jedoch die Frage, ob es sich nur um ein laues Lüftchen mit der genannten Internationalisierung und Flexibilisierung handelt – oder ob in einem Sturm der Bezug zu den hiesigen Bedürfnissen und Wurzeln verloren geht. Die große Fangemeinde in Deutschland wird dies sicherlich nicht klaglos hinnehmen. Zumal Heimanwender inzwischen zunehmend den Begriff Fritzbox als Synonym für Router verwenden. Im deutschen Markt waren jahrelang die ISDN- und DSL-Funktionen der Fritzbox gefragt. Diese verlieren jedoch zunehmend an Bedeutung. Aktuell geht es eher um die Migration zu Lichtwellenleiter-basierenden Internetanbindungen und Smart-Home-Integrationen. Dort gibt es sicherlich noch einiges Potenzial, obgleich dieser Markt preissensitiv ist. Ob bei der Internationalisierung auch Funktionen wie das klassisch europäische DECT in den Hintergrund der Entwicklung rücken, bleibt abzuwarten.

Hinzu kommt: Die Übernahmemitteilung erreicht die Welt denkbar unglücklich. Denn sie folgt kurz nach dem Bekanntwerden von Millionenstrafen im Rahmen von Ermittlungen der Kartellbehörden zu Abstimmungen über Endverbraucherpreise für AVM-Produkte.

Es wäre AVM und dem Technologiestandort Deutschland zu wünschen, dass der positiven Darstellung in der Pressemitteilung auch Taten folgen. Und die sind wichtig, um nicht ein ähnliches Schicksal zu erleiden wie Bintec-Elmeg, die vor Kurzem den Geschäftsbetrieb einstellten – nur wenige Monate nach dem Insolvenzantrag von Gigaset. Vielleicht sollte die Fangemeinde auf den derzeitigen Bundestrainer Julian Nagelsmann hören und die Zukunft und Herausforderungen eher als Chance, denn als Problem sehen.

(fo)