Zum Mars und noch viel weiter

Der Raketenwissenschaftler und Ex-Astronaut Chang Diaz ist überzeugt, dass die Menschheit bald wieder ins All aufbrechen wird – und zwar weiter als jemals zuvor. Die Privatwirtschaft und neue Antriebstechnologien seien der Schlüssel dafür.

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Von
  • Erica Naone

Im Januar will die Ad Astra Rocket Company mit der VX-200 einen lebensgroßen Prototypen ihrer "Variable Specific Impulse Magnetoplasma Rocket", kurz VASIMR, testen. Der neuartige Raketenantrieb wurde bereits 1979 von Firmenchef Franklin Chang Diaz ersonnen. Der Plasmaphysiker war selbst einst NASA-Astronaut. VASIMIR ist der Versuch, verfügbare Technologien deutlich zu übertreffen – eingesetzt wird heißes Plasma, das mit Hilfe von elktromagnetischen Wellen erhitzt und von einem Magnetfeld kontrolliert wird. Chang Diaz glaubt, dass das System höhere Geschwindigkeit und geringen Treibstoffverbrauch als aktuelle Systeme liefern kann.

Sollte der VASIMR-Versuch ausreichende Effizienzwerte und genügend Schub nachweisen, soll mit der "VF-200" eine erste flugfähige Variante gebaut werden. Ad Astra will die Rakete letztlich zur Internationalen Raumstation ISS schicken, wo sie dabei helfen könnte, die Station in der Umlaufbahn zu halten. Sollte der Plan aufgehen, kann sich Chang Diaz auch VASIMR-Antriebe für die Reise zum Mars und zu anderen Planeten vorstellen. Der Wissenschaftler und Unternehmer unterhielt sich mit Technology Review über seine Technologie – und die nächsten Schritte in der Weltraumforschung, die er eindeutig positiv sieht.

Technology Review: Herr Chang Diaz, die Vereinigten Staaten nutzen in ihren Raumfahrzeugen noch immer eine Technologie, die bereits mehrere Jahrzehnte auf dem Buckel hat. In welchen Bereichen muss sie Ihrer Meinung nach verbessert werden?

Franklin Chang Diaz: Ich habe immer gesagt, dass wir an zwei Problemkomplexen arbeiten müssen, wenn es uns mit der Erforschung des Weltraums wirklich ernst ist: Energie und Antrieb. Die Energiegewinnung im All ist noch immer ein großes Problem. Aktuell setzen wir vor allem auf Solar-Panels. Das ist okay, so lange wir in der Nähe der Sonne bleiben. Wenn wir aber zum Mars und darüber hinaus kommen wollen, müssen wir eine Nuklearstromquelle entwickeln. Wenn wir das nicht tun, können wir eigentlich jetzt schon aufhören. Ohne sie kommen wir nirgendwo hin.

Der Antrieb ist der zweite Bereich, bei dem es Probleme gibt. Wir werden immer noch von ehrwürdigen Raketen ins All getragen – die Technologie hat sich wenig verändert und reicht ebenfalls nicht aus, um zum Mars und darüber hinaus zu kommen.

TR: Wie lassen sich Ihre eigenen Ideen auf den Gebieten Energie und Antrieb auf Mars-Missionen beziehen?

Chang Diaz: Reisen zum Mars wären mit der jetzigen Technologie untragbar lang und würden die Astronauten einer sehr hohen Strahlenbelastung aussetzen. Mir wurde selbst bei meinen NASA-Flügen klar, was für eine feindliche Umgebung der Weltraum ist. Wenn man Monate lang von einem Planeten zum nächsten unterwegs ist, schaut man, wie der frühere Astronaut John Young so schön sagte, die eine Hälfte der Zeit aus dem Fenster auf die Erde zurück, und die zweite Hälfte auf das geplante Ziel. Besonders hell erstrahlen diese Fixpunkte nicht – und man wird bald herausfinden, was Einsamkeit wirklich bedeutet.

Zusammenfassend kann man also sagen: Der Weltraum ist ein riesiger leerer Raum und man sollte sich möglichst schnell durch ihn hindurch bewegen, wenn man überleben will. Ich würde Menschen auch nicht in einem fragilen, in Sachen Energieversorgung eingeschränkten Raumschiff zum Mars schicken. Sie müssen eine echte Überlebenschance haben und dazu gehört eben genügend Energie. Energie ist Leben im Weltraum.

TR: Mit der von Ihnen entworfenen VASIMR-Technologie soll eine Reise zum Mars nur 39 Tage dauern. Mit der Entwicklung der von Ihnen angesprochenen Nuklearstromquellen soll es gar möglich sein, in wenigen Wochen in jeden Teil unseres Sonnensystems zu gelangen. Was erwarten Sie also als nächste Phase der Weltraumforschung? Wie wird Ihr Unternehmen Ad Astra daran beteiligt sein?

Chang Diaz: Ich glaube, dass viele Menschen ins All ziehen werden. Unsere Spezies wird den Mond bevölkern, dort nicht nur Forschungsenklaven bauen, sondern auch Fabrikations- und Rohstoffgewinnungsstätten. Erst letzten Monat hat Ad Astra einen Vertrag mit der britischen Excalibur Exploration Ltd. geschlossen, um Bergbau auf Asteroiden zu betreiben, wenn die Zeit dazu reif ist. Ich glaube, dass es eine große Nachfrage nach Rohstoffen von Asteroiden und Kometen geben wird – insbesondere nach Wasser. Wasser von der Erde ins All mitzunehmen, wird sehr teuer werden. Ich glaube daher, dass wir unsere Mondbasen eher mit Wasser von Kometen versorgen werden.

TR: Sie scheinen sich sehr sicher zu sein, dass wir bald das All kolonisieren.

Chang Diaz: Eines Tages wird die Erde ein Ort sein, zudem die Menschen wie in einen Nationalpark zurückkehren. Ich will die Erde ja nicht wie einen alten Schuh loswerden oder ähnliches. Wir müssen sie schützen, damit wir immer wieder zurückkommen können.

TR: Welchen Sinn macht es, Geld in Technologie zu investieren, mit der wir den Planeten verlassen sollen? Müssten wir uns nicht besser auf die Lösung der Probleme konzentrieren, die wir zuhause haben?

Chang Diaz: Wir investieren dabei in unser Überleben. Wie John Young auch einmal sagte – wir sind eine Spezies ohne jede Redundanz. Wenn etwas mit unserem Planeten passiert, könnte dies das Ende unserer Zivilisation bedeuten. Ein paar Dollar in das Überleben der menschlichen Spezies zu investieren ist also keineswegs zu viel.

TR: Können wir realistisch erwarten, dass diese Dinge tatsächlich passieren werden? Nach den Apollo-Missionen dachten viele Menschen, sie würden bald selbst zum Mond reisen – passiert ist bislang nichts. Hat sich hier irgendetwas verändert?

Chang Diaz: Für die NASA und die anderen Regierungsprogramme geht es weniger um die Erforschung des Alls, sondern mehr um nationales Prestige. Der heutige Prozess der Weltraummissionen ist sehr langsam. Ich glaube einfach nicht, dass dieses Modell uns schnell sehr weit bringen wird. Wir brauchen die dynamische Natur der Privatwirtschaft, um das Feuer zu entfachen – und sie wird es tun. Wer also zum Mond will, sollte schon einmal damit beginnen, seine Koffer zu packen. Es geht bald los. (bsc)