BGH: Kein genereller Anspruch auf vollständige Weitergabe von Einkaufsvergünstigungen in Franchisesystemen

Der Kartellsenat hat festgestellt, dass eine 100-prozentige Bezugspflicht für Franchisenehmer sowie das Einbehalten von Einkaufsvorteilen wie etwa Rabatten in der Regel keine unbillige Behinderung nach dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen ist.

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Eine 100-prozentige Bezugspflicht für Franchisenehmer sowie das Einbehalten von Einkaufsvorteilen – darunter etwa Boni, Rabatte, Rückvergütungen und vergleichbare Vergünstigungen – stellen in der Regel keine unbillige Behinderung im Sinne des § 20 GWB (Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen) dar. Dies hat der Kartellsenat des Bundesgerichtshofes (BGH) deutlich gemacht und in einem Kartellverwaltungsverfahren am 11. November 2008 letztinstanzlich durch Beschluss (KVR 17/08) die Entscheidung der Vorinstanz (1. Kartellsenat des OLG Düsseldorf) vom 16. Januar 2008 bestätigt. Die Rechtsbeschwerde des Franchisenehmers gegen die Aufhebung der Kartellamtsentscheidung durch das OLG Düsseldorf blieb demnach ohne Erfolg.

Im vorliegenden Fall hatte ein Franchisenehmer der Baumarktkette Praktiker diesen Sachverhalt zunächst dem Bundeskartellamt zur Überprüfung vorgelegt. Die Wettbewerbsschützer untersagten dem Franchisegeber mit dem Beschluss vom 8.5.2006 (B9-149/04 – PDF-Datei) zunächst noch die Verwendung einzelner Vertragsklauseln, die Einschränkungen beim Bezug von Waren vorsahen. Die betroffene "TopBau-Center"-Filiale sollte per Franchisevertrag auf fünf Jahre verpflichtet werden, "das systemtypische Warensortiment nur vom Franchisegeber zu beziehen". Zudem durfte der Baumarkt ergänzende Produkte – sogenannte "lokale Spezialitäten" – von anderen Lieferanten nur dann beziehen, wenn diese "in Art, Qualität, Zusammensetzung und Preisniveau zum Sortiment des "TopBau-Center"-Marktes passen und den bestmöglichen Verkaufsumsatz des übrigen Sortiments nicht stören".

Die von der Praktiker-Zentrale erzielten Einkaufsvorteile wurden zudem nicht in vollem Umfang an die Franchisenehmer weitergegeben. Das Bundeskartellamt sah in der Kombination dieser Verhaltensweisen einen Verstoß gegen das Verbot unbilliger Behinderung, das sich aus § 20 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 GWB ableiten lässt. Dieser Einschätzung konnten sich die Beschwerdegerichte nicht anschließen – zumindest sei die Behinderung nicht unbillig. So gebe es in einem Franchisesystem keine gesetzliche Pflicht des Franchisegebers, die von ihm ausgehandelten Einkaufsvorteile in vollem Umfang an die Franchisenehmer herauszugeben, wie der BGH bereits 1999 in seiner Entscheidung zur "Preisbindung durch Franchisegeber I" festgestellt hatte.

Im vorliegenden Fall trete Praktiker zudem als Lieferant und Rechnungssteller auf und übernehme somit die Funktion eines Großhändlers – für diese Tätigkeit stehe dem Unternehmen eine entsprechende Vergütung zu, da diese laut Vertrag nicht mit den vereinbarten Franchisegebühren abgegolten sei. Auch die Einschränkungen des Warenbezugs stufen die Bundesrichter nicht als unbillige Behinderung ein, da sie einerseits Ausnahmen vorsehe – etwa die "lokalen Spezialitäten". Andererseits sei das zweigleisige Absatzsystem von Praktiker aus "eigenen" Regiebetrieben und Franchisepartnern kein selektives Vertriebssystem im Sinne der EG-Verordnung 2790/1999. Denn es liege keine vertikale Wettbewerbsbeschränkung vor, da der Franchisevertrag keinerlei unmittelbare Einschränkungen beim Weiterverkauf der Waren vorsehe. Lediglich die Bezugsbindung verhindere eine Belieferung der Franchisenehmer untereinander.

Der Beschluss lässt sich nicht uneingeschränkt auf die Verhältnisse in anderen Franchisesystemen (beispielsweise im IT/UE-Markt: PC-Spezialist, Vobis, Cervis, PC-Feuerwehr, etc.) übertragen, denn die Frage, ob eine Alleinbezugspflicht wie im vorliegenden Fall grundsätzlich eine Wettbewerbsbeschränkung im Sinne des Art. 81 Abs. 1 EG darstellt, ließ der Senat bewusst offen. Auch die Einschätzung, ob es sich jeweils um eine unbillige Behinderung nach § 20 GWB handelt, könne nur individuell im Einzelfall festgestellt werden, betonten die Bundesrichter. (map)