Fehler in der Auswahl von Vertriebsmitarbeitern kosten IT- und TK-Unternehmen ein Vermögen!

Entscheidend für den Erfolg eines ITK-Unternmehmens sind in erster Linie die Vertriebsmitarbeiter. Bei der Auswahl der geeigneten Kandidaten werden jedoch immer wieder Fehler gemacht – meist fehlt schon eine passende Anforderungsdefinition.

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Oliver Wegner, Vertriebsexperte, Trainer und Coach

Nach dem ich nun seit 15 Jahren in der Branche tätig bin und in verschiedenen Unternehmen den Vertrieb verantwortet und weiterentwickelt habe, mache ich mir in den letzten Jahren sehr intensiv darüber Gedanken, was eigentlich besonders erfolgreiche von weniger erfolgreichen IT- und TK-Unternehmen unterscheidet. Ich habe beobachtet, dass es nie auf die Technologie allein ankam und schon gar nicht auf die Unternehmensgröße, einen lokalen Firmensitz oder das Marketing. Entscheidend – und das fast allein – sind die Vertriebsmitarbeiter.

Dann muss man doch einfach nur die richtigen Leute einstellen, ist Ihre naheliegende Reaktion? Genau da liegt die große Herausforderung. Basierend auf meinen eigenen Erfahrungen und nach einem intensiven Austausch mit Top-Führungskräften aus dem IT- und TK-Umfeld komme ich zu dem Schluss, dass gerade in der Auswahl von Vertriebsmitarbeitern die größten Fehler gemacht werden.

Warum werden Vertriebsleute in unserer Branche konsequent falsch ausgewählt und eingestellt? Ganz einfach: Schon zu Beginn wird keine saubere Anforderungsdefinition gemacht! Meines Wissens würde kein Kunde in unserer Branche ein Projekt starten, ohne Anforderungsdefinition und ohne Lasten- und Pflichtenheft.

Vertrieb ist eine Schlüsselposition, und der Verkaufsprozess beinhaltet auch unterschiedliche Disziplinen. Aus Erfahrung braucht es deshalb auch unterschiedliche Menschen, um diesen Prozess exzellent zu meistern. Es gibt sie fast nie: die Allround-Genies. Zur hochwertigen Leadgenerierung am Telefon braucht es ein anderes Mitarbeiterprofil als für den Gebietsverkauf. Und ein Key Account Manager bringt andere Voraussetzungen mit als ein Gebietsverkäufer.

Neue Mitarbeiter werden in unserer Branche häufig über Empfehlungen oder Headhunter angeworben. Da heißt es: "Ich kenne da jemanden, der würde perfekt passen und hat schon Erfahrungen in drei Branchen und kann Lösungsverkauf etc." Wie will ein Headhunter oder Empfehlungsgeber denn über eine Stellenausschreibung wissen, ob ein Bewerber passt oder nicht? Jetzt werden die Headhunter natürlich argumentieren und sagen: "Ich berate das Unternehmen in der Besetzung von Vertriebspositionen doch schon fünf Jahre und weiß, was die brauchen." Haben die Mitarbeiter, die über Headhunter und über Empfehlungsgeber kamen, etwa immer perfekt gepasst? Sind darunter nicht auch Menschen, die sogar das Fachwissen mitbringen und verkaufen können, es aber nicht mit Verlässlichkeit tun?

Ich habe selbst auch nicht nur positive Erfahrungen gemacht. Mitarbeiter, die ich schon lange kannte, mit denen ich sogar in vorherigen Positionen schon zusammengearbeitet hatte, haben plötzlich in einer neuen Funktion nicht mehr performt! Aber warum?

Ganz einfach: Durch eine unklare Anforderungsdefinition (nennen wir das mal Soll-Kompetenzprofil) und durch das Vertrauen auf unsere langjährige Erfahrung ziehen wir zum Start schon viele "falsche" Bewerber an. Falsche Bewerber meint, die "richtigen Menschen mit Ihren Stärken und Schwächen", allerdings für die "falsche Position". Jetzt starten unsere Gespräche. In der Regel sind es etwa zwei oder drei Treffen mit drei bis vier unterschiedlichen Gesprächspartnern aus Vertrieb, Personalwesen und Geschäftsführung. Das ist ein riesiger Zeitaufwand. Über die Gespräche wird jetzt versucht, herauszufinden, ob der Bewerber ein "ergebnisorientierter, engagierter, teamfähiger, kommunikationsstarker, unerschrockener, veränderungsbereiter Selbststarter ist". Und spätestens an diesem Punkt wurde mir vor einiger Zeit klar, dass wir einen Menschen durch herkömmliche Interviewmethoden in der kurzen Zeit gar nicht beurteilen können. Wir sehen hier maximal 20 Prozent seiner Persönlichkeit und seines Verhaltens. Der Rest (immerhin noch 80 Prozent!) bleibt unsichtbar. Zudem erhalten wir gar keine Informationen über die Antriebsmotoren und Wertvorstellungen eines Bewerbers. Ein Vertriebler, für den "Ökonomie" nicht einen ausgesprochen hohen Stellenwert einnimmt, der wird nicht zielorientiert und Forecast-sicher große Deals für das Unternehmen bringen. Das ist doch nachvollziehbar, oder?

Aus unzähligen Gesprächen mit Personalern, Entscheidern und Bewerbern habe ich auch ganz deutlich herausgehört, dass es den 100 Prozent passenden Bewerber sowieso nicht gibt. Wenn das so ist, dann wäre es doch aber gut zu wissen, was es denn noch braucht, um den Bewerber wenigstens annähernd an das Soll-Kompetenz-Profil heranzuführen. Diese Bewertung und Besprechung vermisse ich komplett in Bewerbergesprächen, und ich spreche hier nur von "Professional-Stellen" und nicht von Trainee-Plätzen oder ähnlichen Jobs.

Da Verkauf ja nicht an Unis studiert werden kann (wir können nur Marketing studieren, wo Absatzmanagement ein Teil ist), müssen Verkäufer meines Erachtens auch vom Unternehmen ausgebildet werden. Wenn wir hier allerdings in die Personalentwicklung in unserer Branche in den Bereich Vertrieb schauen, gibt es nur vereinzelte Maßnahmen zur Weiterentwicklung. Diese sind in der Regel nicht geplant und individualisiert. Das ist jedoch viel zu wenig, wenn wir der Auffassung sind, dass unser Markterfolg ganz entscheidend von unserem Vertriebspersonal abhängt.

Zusammengefasst sehe ich fünf Punkte, die helfen könnten, die richtigen Vertriebsmitarbeiter zu finden und die Zahl der "Fehleinstellungen" zu reduzieren:

  • Exakte und auf die Zielgruppe abgestimmte Stellenausschreibungen erarbeiten.
  • Den engen Kreis der Bewerber über eine Potenzialanalyse filtern, die neben Aussagen zur Persönlichkeit und zum Verhalten auch etwas über die Antriebsmotive und Werte aussagt (kein Assessment-Center!!).
  • Basierend auf den Analyseergebnissen konkrete und individuelle Fragen stellen (und nicht ein Repertoire von Standardfragen).
  • Durchführung einer Bewertung des Bewerbers durch alle Interviewpartner strukturiert nach einheitlichen Kriterien.
  • Konkrete Einschätzung der (notwendigen) Weiterentwicklung bzw. Förderungsmaßnahmen zur Erreichung des Soll-Kompetenz-Profils und offene Besprechung mit dem Bewerber.

Wie ist Ihre Erfahrung? Gerne würde ich mich mit Ihnen zu Ihren Überlegungen austauschen!

Oliver Wegner (map)