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10 Jahre iPhone: Ein Telefon verändert Apple – und die Welt

Leo Becker, Ben Schwan
iPhone

(Bild: Apple)

Vor genau zehn Jahren hat Apple das iPhone in den Handel gebracht. Es war bei nur einem Mobilfunkanbieter erhältlich, teuer und funktionsarm – doch läutete es eine Zeitenwende ein, die Apple nebenbei zum wertvollsten Unternehmen machte.

Das iPhone ist auf Steve Jobs' Verärgerung über einen Microsoft-Mitarbeiter zurückzuführen. Dessen Lobhudeleien über Microsofts überlegene Stiftbedienung bei Tablets hätten den Apple-Gründer dermaßen erzürnt, erzählte der ehemalige iOS-Chef Scott Forstall bei einem Auftritt in diesem Monat (siehe Video), dass Jobs eines Tages in einem Meeting erklärte, er werde zeigen, wie es richtig geht. Und das hieß: Mit dem Finger und nicht per Stylus. Dies sei der Auslöser für die Entwicklung eines kapazitiven Touchscreens und Multitouch-Bedienung gewesen, so Forstall. Die ursprünglich für den Einsatz in Laptop oder Tablet gedachten Techniken brachte das Unternehmen dann allerdings zuerst in einem kompakteren Formfaktor auf den Markt: dem iPhone.

Am 29. Juni 2007 – ein gutes halbes Jahr nach der Vorstellung durch Steve Jobs – startete der Verkauf des iPhones, anfangs nur in den USA und bei lediglich einem einzelnen Netzbetreiber. (Deutsche Nutzer mussten sich bis November 2007 [1] gedulden – die Telekom hatte sich die Erstrechte gesichert.) Zwei Jahre zuvor hatte Jobs die Mobilfunkanbieter erst öffentlich als "Körperöffnungen" beschimpft, durch die man sich für den Vertrieb eines Telefons eben quetschen müsse. Nur mit AT&T (damals noch "Cingular") konnte Apple schließlich einen Exklusiv-Deal aushandeln: Der Netzbetreiber nahm das iPhone ungesehen ins Portfolio auf und erklärte sich bereit, nur die Netzwerkanbindung bereitzustellen – auf die üblichen Modifikationen von Soft- und Hardware wurde verzichtet.

Apple lieferte stattdessen Software-Updates mit Funktionsneuerungen regelmäßig selbst und zugleich für alle Nutzer aus, noch heute längst keine branchenweite Selbstverständlichkeit. Im Gegenzug war das iPhone viele Jahre fest an das Netz von AT&T gebunden. Die Tarife waren teuer und es gab nur wenig Auswahl – stets aber war eine Daten-Flat enthalten, auch das eine absolute Seltenheit auf dem damaligen Mobilfunkmarkt.

10 Jahre iPhone – iOS und iPhone über die Jahre (0 Bilder) [2]

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Der hohe Preis von 600 Dollar für die 8-GByte-Ausführung konnte den Anfangserfolg nicht schmälern: Das immense globale Interesse führte relativ schnell zu ersten Tools von findigen Entwicklern, die das iPhone vom Simlock befreiten. Dies markierte zugleich den Anfang eines jahrelangen Katz- und Maus-Spiels zwischen Apple und Hackern, das erst viele Jahre später mit der breiten Verfügbarkeit von Netlock-freien iPhones endete.

Die ersten Käufer stieß Apple schnell vor den Kopf: Keine drei Monate nach dem Verkaufsstart setzte der Konzern den Preis plötzlich um 200 Dollar runter. So sei eben das "Leben auf der Technik-Fahrspur", schrieb Jobs an empörte Kunden, ein besseres und billigeres Produkt sei nie fern. Den frühen Käufern wurde ein 100-Dollar-Gutschein eingeräumt, den man allerdings nur bei Apple ausgeben konnte. Die Preissenkung jedenfalls befeuerte die Verkaufszahlen des bereits gut nachgefragten Gerätes. Für die erste Million benötigte das iPhone noch geschlagene 74 Tage – im jüngsten Weihnachtsgeschäft verkaufte Apple nach der Einführung des iPhone 7 eine derartige Masse an Smartphones praktisch an jedem einzelnen Tag.

Mit (mittlerweile deutlich) über einer Milliarde verkauften Geräten [4] ist das iPhone das wohl erfolgreichste Endkunden-Produkt aller Zeiten – und wurde dies in vergleichsweise kurzer Zeit. Für derartige Stückzahlen hat die Barbie-Puppe fast 60 Jahre gebraucht, rechnete das Wall Street Journal jüngst vor. Zugleich ist das iPhone eines der lukrativsten Produkte überhaupt: Die damit erzielten Gewinne haben Apple in den zehn Jahren zum wertvollsten börsennotierten Konzern der Welt gemacht, der in den nächsten Jahren die Billionen-Dollar-Grenze [5] überschreiten könnte. Der Jahresumsatz von knapp 20 Milliarden Dollar im Jahr 2006 hat sich inzwischen mehr als verzehnfacht.

10 Jahre iPhone: Vom ersten iPhone zum iPhone 7 (10 Bilder) [7]

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Steve Jobs bei der Präsentation des ersten iPhones im Januar 2007.

Apples Telefon ist jedoch nicht allein eine wirtschaftliche Erfolgsgeschichte: Mit dem Verzicht auf eine Hardware-Tastatur, der reinen Bedienung durch einen oder mehrere Finger (Multitouch) sowie dem an das Desktop-Betriebssystem OS X (heute wieder macOS) angelehnten Unterbau leitete Apple einen Paradigmenwechsel ein. Der Konzern machte das zuvor nur für E-Mail-Junkies und Enthusiasten interessante Smartphone plötzlich massenkompatibel – für Mann, Frau und Kind. Der ein Jahr später folgende App Store – die ersten iPhones, man mag es heute kaum glauben, erlaubten für externe Entwickler nur schlichte Webanwendungen – verwandelte das iPhone endgültig in einen nahezu unverzichtbaren Begleiter.

Die von Apple eingeläutete Zeitenwende erkannte damals nur der Suchkonzern Google zeitig – damals ein enger Apple-Partner bei der Einführung des ersten iPhones. Das ursprünglich als Betriebssystem für Geräte à la BlackBerry ausgelegte Android wurde in Rekordzeit vollständig für die Bedienung mit dem Finger ausgelegt – und die Erweiterbarkeit mit Apps. Die quelloffene Basis und die kostenlose Lizenzierung durch den Hersteller machten Android schnell zum System der Wahl für unzählige Hardware-Hersteller, die im Unterschied zum iPhone jedes Preissegment abdecken und damit maßgeblich zur globalen Smartphone-Verbreitung beigetragen haben, die längst auch weit in Schwellen- und Entwicklungsländer hineinreicht.

Inzwischen ist das Smartphone aus dem Alltag kaum mehr wegzudenken: Es ist stets präsente Informationsquelle und hat verändert, wie wir kommunizieren, uns vernetzen, reisen, lieben und leben. Ganze Wirtschaftszweige stehen durch mobile Dienste und die durch Smartphone-Komponenten leichte Vernetzung vor Umwälzungen; diese haben längst die Reise- und Unterhaltungsbranche erfasst und reichen bis hin zu Fahrzeugherstellen, Einzelhandel und Gesundheitswesen. Zugleich stellt das Smartphone die Basis für eine lauffeuerartige Verbreitung von Falschinformationen, die Aufspaltung der Gesellschaft in immer kleinere Nischen und eine den Globus umspannende Überwachung.

Noch vor seinem Tod im Oktober 2011 startete Steve Jobs einen "thermonuklearen Krieg" gegen Android. Das Unternehmen klagte unter anderem gegen Samsung, um seine Patente zu schützen, doch aufhalten konnte der Konzern den Siegeszug von Android nicht mehr. Wirklich ärgern muss das den heutigen Chef Tim Cook und sein Team aber nicht. Das iPhone ist weiterhin das profitabelste Smartphone und in vielen Märkten weltweit auch in den Charts der meistverkauften Geräte vorne mit dabei – selbst wenn Android auf den Gesamtmarkt gerechnet beim Marktanteil gegenüber iOS haushoch vorne liegt.

Während die IT-Branche die Fühler längst nach dem "nächsten großen Ding" ausstreckt, hat für Apple-CEO Cook die Entwicklung des iPhones "gerade erst begonnen". Für diesen September rechnen Beobachter mit einer Art Jubiläums-Modell, dem "iPhone 8" [9]. Es soll unter anderem einen fast rahmenlosen OLED-Bildschirm mitbringen, sich drahtlos aufladen lassen und womöglich zusätzliche Augmented-Reality-Funktionen haben. Apple werkelt an der zweiten iPhone-Milliarde.

Steve Jobs stellt das iPhone vor (14 Bilder) [10]

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Ein iPod, ein Telefon und ein Internet-Communicator – so führte Steve Jobs das erste iPhone ein.

(lbe [12])


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[2] https://www.heise.de/bilderstrecke/bilderstrecke_3758598.html?back=3758548;back=3758548
[3] https://www.heise.de/bilderstrecke/bilderstrecke_3758598.html?back=3758548;back=3758548
[4] https://www.apple.com/newsroom/2016/07/apple-celebrates-one-billion-iphones/
[5] http://www.nasdaq.com/symbol/aapl
[6] https://www.heise.de/news/Statistisch-gesehen-So-wichtig-ist-das-iPhone-fuer-Apple-3314887.html
[7] https://www.heise.de/bilderstrecke/bilderstrecke_3591079.html?back=3758548
[8] https://www.heise.de/bilderstrecke/bilderstrecke_3591079.html?back=3758548
[9] https://www.heise.de/thema/iPhone-8
[10] https://www.heise.de/bilderstrecke/bilderstrecke_3591086.html?back=3758548
[11] https://www.heise.de/bilderstrecke/bilderstrecke_3591086.html?back=3758548
[12] mailto:lbe@heise.de