17C3: Empörung über juristische "Sicherung" von Prepaid-Handys

Zwei Schüler aus dem Umfeld des CCC könnten wegen eines Links auf Webseiten mit Hilfen zum Entsperren von Handys zu erheblichen Schadensersatzzahlungen verurteilt werden.

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Vor Weihnachten waren sie die Renner: Pakete mit Handy und Prepaid-Karte, die von einzelnen Mobilfunkanbietern bereits für Preise ab 66 Mark verramscht wurden. Doch zahlreiche Kunden dürften sich über die Geschenke später ärgern, spätestens dann, wenn sie ihr Handy einmal mit der SIM-Karte eines anderen Netzbetreibers ausrüsten wollen: Denn dank der "SIM-Lock"-Technik funktionieren die meisten im Billigpaket erstandenen Handys nur mit einer Karte des ursprünglichen Anbieters.

Doch natürlich gibt es junge Menschen, die sich damit nicht zufrieden geben und selbst an Lösungen zur Entsperrung der Handys basteln oder sich übers Internet Werkzeuge zum selben Zweck an die Hand geben lassen. Mit selbstgelöteten Kabeln und meist eigens programmierter Software können die meisten dieser Sperren schließlich rasch entfernt werden. Das Telefon arbeitet dann ganz gewöhnlich mit jeder Karte zusammen und unterscheidet sich auch sonst durch nichts – außer im günstigen Gerätepreis. Software und Hilfsmittel zur Entsperrung lassen sich mit einer gezielten Suchabfrage aber auch von "Experten" online beziehen.

Zwei Schüler aus dem Umkreis des Chaos Computer Clubs hat nun allein der Hinweis auf Webseiten mit Werkzeugen für die Freischaltung der nur begrenzt nutzbaren Handys in die Bredouille gebracht, wie die Köpfe des Hackervereins in ihrem Jahresrückblick auf dem 17. Chaos Communication Congress (17C3) dem erstaunten Publikum berichteten. Nachdem die zwei Freaks auf ihrem Nachrichtendienst für "mobile Geeks" über den Erfolg von Hackern berichtet hatten, die unter www.gsmunlock.com beziehungsweise www.gsmania.com Hilfen zum Entsperren gängiger Handymodelle angeboten hatten, und diese Angebote auch mit ihrem Webangebot verlinkt hatten, flatterte ihnen just eine anwaltliche Abmahnung des Münchner Mobilfunkbetreibers Viag Interkom ins Haus.

Inzwischen hat das Landgericht München I eine einstweilige Verfügung gegen die Betreiber des Newsdienstes ausgesprochen. Darin werden die CCCler dazu verpflichtet, von ihrer Site aus nicht mehr auf "Waren" hinzuweisen, "die geeignet sind, den so genannten SIM-Lock-Schutz bei von Viag Interkom vertriebenen Mobiltelefonen zu beseitigen".

Die eigentliche Gerichtsverhandlung steht noch aus. Der Streitwert des Verfahrens wurde allerdings bereits auf zwei Millionen Mark aufgestockt. Auch Siemens hat sich der Klage angeschlossen, nachdem Viag Interkom einen Auftrag bei dem Münchner Elektronikhersteller storniert hatte, berichtete CCC-Sprecher Andy Müller-Maguhn. Siemens habe zuvor zugeben müssen, dass man keine Funktionsgarantie auf den Sperrmechanismus geben könne.

Die CCC-Führung steht nun nicht nur vor dem Rätsel, wie die "Änderung von 10 bis 12 Bits" bei der Software eines Handys mit einem derart hohen Streitwert beziffert werden konnte – zumal die Angeklagten nur Links zu entsprechenden Hackerseiten gelegt haben. Insgesamt stelle der Fall die Frage der Informationsfreiheit, glaubt Müller-Maguhn. Schließlich sei die Rechtslage nicht eindeutig: Der gewerbliche Vertrieb von Freischalt-Werkzeugen könne zwar eventuell mit einem Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht belegt werden. Relativ wenig Handhabe hätten die Mobilfunkanbieter aber gegen das reine Veröffentlichen von Informationen zur Entsperrung. Reengineering sei in Deutschland derzeit nicht strafbar. Auch eine Preisgabe dieser Tipps und von Bauanleitungen stehe nicht im Zusammenhang mit den angekreideten Wettbewerbsverstößen.

Der CCC wies außerdem darauf hin, dass die Frage noch lange nicht entschieden sei, ob der Käufer eines Telefons damit nicht schlicht machen könne, was er wolle. Zudem könne die Untersuchung und Veränderung der Software eines Telefons dem Benutzer durchaus Vorteile bringen. So ließe sich – ähnlich wie bei einem Computer – das Leistungsspektrum des Telefons erweitern. Bei einem Handy-Modell konnte mit der veränderten Software beispielsweise die Taschenrechnerfunktion wieder benutzt werden, die der Hersteller bei dieser Baureihe deaktiviert hatte.

Ein Jurist aus dem Umkreis des Chaos Computer Clubs warnte die versammelte Hackergemeinde allerdings davor, Informationen zur Handy-Entsperrung vor einem Gerichtsurteil zu verbreiten. Selbst arbeite der CCC momentan an der Erstellung eines Gutachtens, "um die Richter aufzuklären". Bisher existierten nur "Eilentscheidungen" zu dem Fall, die von "großem technischen Unverständnis geprägt" seien. (Stefan Krempl) / (jk)