17C3: Musik-Shareware gegen Urheberrechts-Abgaben
Auf dem 17. Chaos Communication Congress in Berlin diskutierten Hacker mit dem Geschäftsführer des Bundesverbands der Phonographischen Wirtschaft.
Während des 17. Chaos Communication Congress in Berlin (siehe auch Knigge, Illuminaten und Mitnick) wagte sich Martin Schaefer, Geschäftsführer des Bundesverbands der Phonographischen Wirtschaft (IFPI), in die Höhle des Löwen. Schärfer hätte der Zusammenprall zweier Welten kaum sein können: Während die Hacker mit dem Copyright auf Kriegsfuß stehen und für den freien Fluss der Bits im Internet kämpfen, beäugt der Verband der Musikindustrie das gar nicht mehr so neue Medium nach wie vor ängstlich und versucht mit technischen Lösungen wie Filtern oder Verschlüsselungsmechanismen Rechte und Rendite des Establishments zu sichern.
Schäfer malte ein dunkles Szenario, demnach es in Zukunft nur noch "Fahrstuhlmusik" gäbe, wenn Mittlerinstanzen wie der Phonoverband nicht die Lizenzierung von Kopien und die gesamte Rechteverwaltung übernähmen. Club-Sprecher Andy Müller-Maguhn hingegen meinte, mit dem Netz und MP3 stünde Künstlern die Plattform zur Verfügung, ihre Werke – "wie bei Linux" – selbst zu verbreiten und zu vermarkten. "Dadurch werden ihre Möglichkeiten viel größer", philosophierte der Berliner Hacker, "da das Netz ein Strukturverstärker ist." Niemand brauche Angst haben, dass ihm etwas gestohlen würde, wenn er digitale Güter ins Internet stelle. Durch Kopieren würden die Werke von Künstler nur verbreitet, was ihren Bekanntheitsgrad erhöhe und sich letztlich auch bezahlt mache.
Vollkommen unverständlich ist den Chaosjüngern daher, dass die IFPI auf Anregung ihrer deutschen Landesgruppe mit einem als "Rights Protection System" (RPS) bekannt gewordenen Filtersystem die Verbreitung von nicht lizenzierten MP3s verhindern will. Doch Schaefer konnte darin weder eine schlechte Marketingstrategie noch einen Eingriff in die Informationsfreiheit sehen. "Die Information ist ja bereits vorhanden", verteidigte der Angegriffene die Pläne. Es gehe nur darum, sie zu bezahlen – genauso, wie man auch im Kino jedes Mal neu für einen Film ein Ticket kaufen müsse.
Das Hickhack zwischen beiden Diskussionslagern bringe nichts, befand Müller-Maguhn schließlich am Ende eines langen Abends, bevor die Freaks den Abgesandten der Industrie mit einem Ehrenapplaus für seine Diskussionsbereitschaft verabschiedeten. Statt mit "Dinosauriern" zu reden, solle sich die Hackerszene lieber Gedanken darüber machen, wie Sänger und Autoren im vernetzten Zeitalter zu bezahlen seien.
Den Hackern schwebt dabei eine Art "Trinkgeldprinzip" vor, getreu dem Motto: "Dieses Lied hat mich glücklich gemacht, dafür spende ich eine Mark." Eine technische Lösung für die Versorgung der virtuellen Straßensänger hat der amerikanische Verschlüsselungsexperte Bruce Schneier zusammen mit einem Forscherkollegen mit dem Street Performer Protocol bereits vor über einem Jahr entwickelt. Der CCC will sich nun Gedanken darüber machen, wie man diesem Protokoll oder einer anderen "Shareware-Funktion" für Songs zum Durchbruch verhelfen kann.
Mehr dazu im Artikel Trinkgeld statt Filter – Gestörte Kommunikation zwischen Hackern und Musikindustrie auf dem Chaos Communication Congress in Telepolis. (Stefan Krempl) / (fr)