18C3: Hackernetzwerk war Europas größter File-Sharing-Knoten

Die Veranstalter des 18. Chaos Communication Congress zogen trotz Hackpannen, zu Boden stürzender Suns und verschwundener Beamer eine positive Abschlussbilanz.

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Nach dreitägigem und -nächtigem Dauerhacken, Linux-Installieren und Diskutieren über die Zukunft der Szene angesichts einer Reihe neuer Kontrollgesetze endete am Samstagabend der 18. Chaos Communication Congress (18C3) in Berlin mit dem traditionellen Ringkampf der Lego-Roboter. Zuvor hatten die Veranstalter vom Chaos Computer Club (CCC) eine positive Bilanz der "größten europäischen Hackerparty" gezogen. Exakt 2342 Teilnehmer seien -- wie schon im vergangenen Jahr -- gezählt worden, freute sich Tim Pritlove zusammen mit den Hackern, die sich angesichts der mysteriösen Zahl an ihre Lieblingslektüre "Illuminatus" und "Per Anhalter durch die Galaxis" erinnert fühlten.

Besonders stolz war Club-Sprecher Andy Müller-Maguhn, dass von den 84 angekündigten Workshops und Vorträgen trotz des notorischen Chaos nur eine Veranstaltung wegen Verschlafens der Referenten ausgefallen sei. Er bedauerte aber, dass "neben all den Eindrücken" auch ein Beamer mitgenommen wurde. Nicht gestohlen worden sei auf dem Congress dagegen geistiges Eigentum, punktete der ICANN-Direktor bei der johlenden Menge in der Aula: "Es hat sich höchstens vermehrt."

Tatsächlich waren angesichts einer gesponserten 34-Megabit-Funkleitung zahlreiche Hacker in den Tauschrausch verfallen, so dass die Bandbreite selbst im Upstream vollständig ausgenutzt wurde. "Während der Veranstaltung waren wir Europas größter Gnutella-Node", verkündete Müller-Maguhn den Hackern, die sich mit Paketen gebrannter CDs auf den Heimweg machten. Hatte ihnen Rainer Kuhlen, Professor für Informationswissenschaft an der Universität Konstanz, in einem Vortrag über die "Napsterisierung" doch bescheinigt, dass dem Info-Sharing die Zukunft gehöre und auch die Industrie davon profitieren könne: "Märkte werden umso größer, je offener und freizügiger die Nutzung und Verbreitung von Wissen betrieben werden kann."

Berichten musste Müller-Maguhn noch von einigem "Gehackten". Obwohl die Veranstalter in Durchsagen gewarnt hatten, dass auch auf dem Congress die Verfolgung von Straftaten nicht verhindert werden könnte, hatten sich einige Sicherheitstester an schlecht konfigurierte Server herangewagt. "Die Indoktrination zur Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen ist uns nicht lückenlos gelungen", klagte der Club-Sprecher. Betroffen waren vor allem Webpräsenzen von Einrichtungen aus dem Bildungsbereich wie der Bochumer Heinrich-Böll-Gesamtschule, die momentan das Congress-Logo mit dem roten Drudenfuß auf schwarzem Grund ziert. Aber auch die ans Netz angebundene Perl-Datenbank eines größeren Unternehmens verriet Insidern zufolge die schlecht geschützten persönlichen Geheimnisse von Kunden.

Einen Absturz der besonderen Art gab es im Hackcenter zu verzeichnen, wo am Samstag ein erschöpfter Teilnehmer seine Sun-Workstation mit letzter Kraft auf den Laminat-Boden plumpsen ließ. Der "Ground Zero" musste weiträumig abgesichert werden. Gut zu tun hatte auch der Congress-Sanitäter, wie das "Mattenprojekt" nachwies: Mit Transponder-Chips am Schnürsenkel sowie zwei unter Fußmatten vergrabenen Auslesegeräten wollten die Hacker schon mal die zukünftige Überwachungsgesellschaft simulieren. Allerdings hatten nur 44 Personen Lust auf das Experiment. Von den 5060 angefallenen Datensätzen fielen dabei 430 Bewegungen auf den unermüdlichen Hilfsmediziner, der so manchem Teilnehmer nach einer "Bewusstseinserweiterung" wieder auf die Beine helfen musste.

Mehr in Telepolis: Hacken zwischen Kriminalisierung und Mainstream. (Stefan Krempl) / (anw)