A49: Anhaltender Protest im Dannenröder Forst

Bild (Oktober 2020): Leonhard Lenz/ CC0 1.0

Igor Levit gibt Konzert für die Gegner der A49, die noch lange nicht aufgeben wollen

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Die Rodung und Räumung im mittelhessischen Dannenröder Forst geht weiter, aber auch die Poteste. 13 Baumhausdörfer hatten junge Klimaschüter seit letztem Jahr gebaut. Ein Zeichen sollte gesetzt werden. Gegen die Vernichtung eines alten Waldes und den Bau einer Autobahn durch ein Wasserschutzgebiet.

Alle bis auf eines sind in den letzten Wochen geräumt worden, und an diesem Wochenende rückte die Polizei gegen das letzte vor, wie unter anderem die Berliner Tageszeitung berichtet. 800 Menschen seien laut dem Netzwerk Ende Gelände gekommen, um die in den Wald getriebene Baustelle zu besetzen.

Auf Twitter kursieren kleine Videos vom gestrigen Samstag, die einen Wasserwerfereinsatz bei Minusgraden zeigen. Die hessiche Polizei findet es offensichtlich verhältnismäßig, nach eigenem Bekunden friedliche Demonstranten von denen für sie keinerlei erkennbare Gefahr ausgeht, schweren Gesundheitsgefahren auszusetzen.

Auch die Spitzen diverser Umweltverbände, Künstler, die Arbeitsgemeinschaft Bäuerliche Landwirtschaft und Prominente der Bewegung wie Luisa Neubauer von Fridays for Future oder der Bestseller-Autor und Förster Peter Wohlleben hatten sich zu den Protesten am Wochenende angekündigt.

Konzert im Wald

Schon am Freitag hatte der Pianist Igor Livit im Wald, beargwöhnt von der Polizei und mit Motorsägen als Geräuschkulisse, ein kleines Konzert gegeben. Eher traurige Lieder seien es gewesen, meint die Süddeutsche Zeitung. Aber passender Weise war unter den von Levit ausgewählten Stücken auch "El pueblo unido jamas será vencido“ ("Das vereinte Volk kann niemand besiegen").

Das Lied ist ein chilenischer Klassiker aus den 1970er Jahren und alles andere als traurig. Es ist ein Widerstandslied, das den Menschen zwischen Pazifik und Anden Mut im Kampf gegen die Pinochet-Diktatur machte, die Chiles Sänger folterte, ermordete oder ins Exil trieb.

Heute singen es auf den Straßen Hunderttausende, die für eine neue Verfassung und ein Ende der Straflosigkeit für die Folterer und Mörder kämpfen. In letzter Zeit haben die wöchentlichen Demonstrationen in vielen Städten des Landes – von der hiesigen Presse weitgehend unbeachtet – wieder massiven Zulauf. Aber das ist eine andere Geschichte.

Auch die sogenannten Danni-Eltern nahmen an den Protesten am Sonntag teil. Dabei handelt es sich um eine Gruppe von Eltern der meist jungen Aktivisten im Wald. Diese bekommen allerdings nicht nur Unterstützung von ihren Eltern. Auch unter den Anrainern des Dannenröder Forst gibt es seit Jahrzehnten Widerstand gegen den Autobahnbau.

Wie alles Anfing erzählt der 80jährige Reinhard Forst in einem Video auf Twitter. Forst hatte sich bereits Anfang der 1970er mit der Planung auseinandergesetzt und gehörte 1978 zu den Gründern der ersten von mehreren lokalen Bürgerinitiativen gegen den Autobahnbau.

Hier ein weiteres Video von Forst bei einer Mahnwache in Wiesbaden, wo er über die Gespräche mit der hessischen schwarz-grünen Landesregierung Anfang Oktober 2020 berichtet. Bei der Ökopartei scheint es inzwischen wegen des Autobahnbaus im Gebälk zu knirschen. Zumindest in den örtlichen Parteigliederungen ist man, wie die FAZ erfahren hat, nicht mit dem Kurs der Wiesbadener Landesspitze einverstanden.

Symbolträchtiger Wald

Die Süddeutsche schreibt derweil bereits von einem "letzten Aufbäumen" des Protests. Und immerhin ist die breite Schneise durch den Wald inzwischen fast leergeräumt. Die Autobahngegner haben jedoch noch lange nicht aufgegeben.

Bis 2024 wird sich der Bau hinziehen und ihnen noch manche Möglichkeit für Proteste und Blockaden bieten. Eine junge Aktivistin fragte dann auch diese Woche die Beamten per Megafon, ob dies „der längste Polizeieinsatz der Geschichte“ werden solle. Diese fühlen sich derweil selbst von einer einzelnen Radfahrerin und ihrem Papp-Eifelturm gewaltig bedroht.

Der Protest gegen den Bau der A49 hat inzwischen überregional große Symbolkraft entfaltet und inspiriert Autobahngegner in diversen Ecken der Republik, die sich in ihrer Nachbarschaft zum Beispiel gegen den Weiterbau der A14 in Sachsen-Anhalt, der A21 in Kiel oder der A100 in Berlin wehren.

In der Bundeshauptstadt werden gerade 600 Millionen Euro für rund drei Kilometer Autobahn verbaut, die dann den Verkehrsstrom für absehbare Zeit vor einer maroden Spreebrücke in Mitten dicht bebauter Wohnviertel enden lassen wird. Die lokale SPD rührt bereits die Werbetrommel für den Weiterbau, doch der steht noch in den Sternen.

Solidaritätsgrüße an die A-49-Gegner gab es am Freitag auch aus Wien, wo die deutsche Botschaft kurzzeitig besetzt und mit Spruchbändern gegen den Autobahnbau verziert wurde.