AKW-Kühlturmsprengung vor Ort und im Internet erleben

Wenn die Bedingungen stimmen, werden am heutigen Freitag um 18:30 Uhr die zwei Kühltürme in Grafenrheinfeld gesprengt.

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Sprengung eines Kühlturms in Philippsburg

Am 14. März 2020 wurden die Kühltürme des AKW Philippsburg gesprengt. So ähnlich wird es wohl in Grafenrheinfeld aussehen.

(Bild: EnBW)

Lesezeit: 5 Min.

Wenn die Bedingungen optimal sind, werden in Grafenrheinfeld am heutigen Freitag um 18:30 Uhr die zwei Kühltürme des ehemaligen Atomkraftwerks gesprengt. Das Gelände rund um das AKW ist weiträumig abgesperrt, doch lässt sich vor Ort wohl ein Blick auf das Ereignis erhaschen. Auch im Internet können Spreng-Kiebitze zum Zug kommen.

Mögliche Aussichtsorte auf das Sprengspektakel hat der Bayerische Rundfunk ausgekundschaftet. Zum Beispiel könnten Schaulustige auf dem Radweg zum Zug kommen, der vom Bergrheinfelder Kreisel in Richtung Hergolshausen etwa vier Kilometer entlang der Staatsstraße 2270 verläuft. Auf halber Strecke befindet sich eine Schaumöglichkeit etwa 800 Meter von den Kühltürmen entfernt. Weiter nach Süden wird die Entfernung größer, das Gelände steigt aber leicht an, daher gebe es hier fast durchgängig freie Sicht auf das Gelände. Insgesamt werden sich Zuschauer entlang des Mains und auf den Wiesen und Feldern rund um das Sperrgebiet niederlassen können.

Der Betreiber PreussenElektra will die Sprengung filmisch festhalten und die Aufnahmen veröffentlichen, allerdings erst nach der Sprengung. Wer vorher online dabei sein will, kann zum Beispiel in der ARD-Mediathek fündig werden. Der MDR hat einen Livestream von der Sprengung angekündigt. Reporter des örtlichen Senders TV Mainfranken wollen ab 18:15 Uhr live aus Grafenrheinfeld berichten, die Stuttgarter Nachrichten planen einen Stream ab 18 Uhr.

Der Zeitplan kann sich allerdings ändern. Damit gesprengt werden kann, müssen vier von fünf 380-kV-Hochspannungstrassen abgeschaltet werden, die in Grafenrheinfeld zusammenkommen und für die Stromversorgung von Europa wichtig sind. "Denn legt sich nach der Sprengung zu viel Staub auf die Isolatorenketten der einzelnen Stromkreise", könne dies zu einer Betriebsunterbrechung der einzelnen Stromkreise führen, erklärt Tennet-Sprecher Markus Lieberknecht.

Abgeschaltet werden können sie nur, wenn an dem Tag möglichst wenig Windstrom im Netz ist. "Eine Überlastung des Stromnetzes aufgrund hoher Windeinspeisung und gleichzeitiger Abschaltung einzelner Stromkreise wird Tennet vermeiden", sagt Lieberknecht. Die Versorgungssicherheit habe Vorrang. "Sollten die Wetterprognosen darauf hindeuten, dass sehr viel Windstrom in das deutsche und das europäische Stromnetz drückt, stehen für eine Verschiebung an den folgenden Tagen sowie an den Folgewochenenden weitere geplante Abschaltfenster zur Verfügung."

Die Kühltürme sind jeweils 143 Meter hoch, am Boden beträgt der Durchmesser rund 105 Meter, etwa 64 Meter sind es am oberen Ende. Sie sollen mit wenigen Sekunden Abstand unter dem eigenen Gewicht in sich zusammenfallen. Dafür werden in die Kühlturmschalen Fall- und Vertikalschlitze eingebracht. Zudem werden an Kühlturmstützen sowie in der Nähe der Fall- und Vertikalschlitze zahlreiche Löcher gebohrt, die mit Sprengladungen befüllt werden. Bei der gezielten Sprengung soll kombiniert mit den angebrachten Schlitzen ein "Sprengmaul" entstehen, das die Kühltürme jeweils kontrolliert in sich zusammenfallen lässt. Solche Sprengungen seien allein in Deutschland bereits mehr als 50 Mal beim Abbruch von Kühltürmen praktiziert worden, versichert der Betreiber.

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Wie viel Sprengstoff für die insgesamt rund 34.000 Tonnen Stahlbeton, Metalle und Kunststoffe nötig sind, verrät die zuständige Thüringer Sprenggesellschaft nicht. Auch Details wie die Anzahl der zu bohrenden Löcher, die mit Sprengladungen befüllt sein werden, sind geheim.

Innerhalb von 30 Sekunden soll alles vorüber sein. Die Sprengung wird zunächst durch Fanfarenstöße angekündigt. Unmittelbar davor soll es einen Knall geben; mit dieser Vergrämungssprengung soll verhindert werden, dass Vögel zu Schaden kommen, die noch auf den Kühltürmen sitzen. Danach folgt die eigentliche Sprengung: zuerst der nördliche Turm mit dem kraftwerksinternen Namen ZP2, 15 Sekunden später ist ZP1 dran.

Nach der Sprengung müssen die beiden Netzbetreiber Tennet und Bayernwerk die vorhandenen Stromkreise auf Schäden und Schmutz überprüfen. Zudem schauen sich Experten die Gebäude auf dem Gelände an und auch die beiden Zwischenlager für hoch radioaktive Abfälle. Insgesamt kostet der Abbruch der Kühltürme gut 3 Millionen Euro.

Wenn alles klappt, wird es die bundesweit zweite Sprengung von Kühltürmen eines stillgelegten Atomkraftwerks gewesen sein. Im Mai 2020 waren im baden-württembergischen Philippsburg erstmals zwei Kühltürme eines Atomkraftwerks gesprengt worden. Das Ereignis fand damals coronabedingt ohne Öffentlichkeit statt, wurde aber vom Betreiber EnBW ausgiebig dokumentiert.

Das AKW Grafenrheinfeld ging 1982 in kommerziellen Betrieb, im Juni 2015 wurde es stillgelegt, wie es die 13. Novelle des Atomgesetzes 2012 vorsah. Bis dahin produzierte es 333.000 GWh Strom. Der seit 2018 laufende Rückbau soll 15 Jahre dauern. Wie das Gelände danach genutzt wird, steht noch nicht fest. Naheliegend und sinnvoll sei es, den Standort energietechnisch zu nutzen, meint PreussenElektra.

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(anw)