ALG II: Gescheiterte Nachhilfe und üppige Kosten, die nicht ersetzt werden

Außer Kontrolle

Die Regelungen zur Erstattung von Nachhilfekosten für ALG II-Empfänger bzw. deren Kinder erweisen sich ein weiteres Mal als schwer durchschaubar. Scheitert die Nachhilfe, so bleiben die Eltern auf den Kosten sitzen.

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Es hörte sich so erfreulich an: Im Bildungspaket für ALG-II-Empfänger bzw. deren Kinder sollte auch Geld für Nachhilfekosten enthalten sein. Nachhilfe ist im allgemeinen bereits ein Streitthema, denn die Tatsache, dass auch eine Vielzahl von Gymnasiasten bereits auf Nachhilfe angewiesen ist, lässt die Frage aufkommen, woran dies liegt. Werden Schüler in Schulformen gepresst, denen sie nicht gewachsen sind? Oder ist die schulische Wissensvermittlung so schlecht, dass es ohne Nachhilfe gar nicht mehr gehen kann? Unabhängig von dieser Frage aber war die Neuregelung für ALG-II-Empfänger Grund zum Aufatmen. Bis es ans Kleingedruckte ging. Denn die Gewährung der Kostenübernahme war an viele Bedingungen geknüpft:

Ein Anspruch auf die notwendige Lernförderung hat Ihr Kind, wenn z.B. Ihr Kind Versetzungs gefährdet (sic!) ist und durch Nachhilfeunterricht die Versetzung doch noch schaffen würde. Der Förderbedarf kann nur durch die Schullehrerinnen und Schullehrer festgestellt und bescheinigt werden. Die Lernförderung kann intern durch die Schule in der Schule organisiert werden oder auch außerhalb der Schule durch private Einrichtungen.

Das Sozialgericht in Frankfurt am Main entschied nun über die Kostenübernahme für Nachhilfeunterricht im Fall eines 16-Jährigen, der sowohl in Mathematik als auch in Physik schwächelte. Da aber die Nachhilfe, deren Kosten sich auf monatlich 76 Euro beliefen, nicht zu einer Verbesserung, sondern zu einer Verschlechterung der Noten führte, wurde der Antrag abgelehnt, was das Gericht als rechtmäßig ansah. Da sich keine Verbesserung ergab, so das Gericht, war die Nachhilfe nicht geeignet, die erforderlichen Lernziele zu erreichen. Die Kosten für die erfolglose Nachhilfe sind somit von den Eltern bzw. dem Jugendlichen selbst zu tragen.

Da bei einer Nachhilfe aber nie eine Erfolgsgarantie gegeben werden kann, stellt sich die Frage, inwiefern sich hier eine für ALG-II-Empfänger positive Situation ergeben hat. Nachhilfe kann durch viele Effekte scheitern - der Nachhilfelehrer ist nicht fähig, den Lehrstoff zu vermitteln, er kann die Defizite des Nachhilfesuchenden nicht erfassen oder geht nicht darauf ein, er nimmt sich zu wenig Zeit usw. usf. Selbstverständlich kann auch der Nachhilfesuchende am Scheitern (mit)schuldig sein, doch die Frage bleibt offen, inwiefern hier das Bildungspaket eine Verbesserung mit sich bringen soll, wenn für jeden, der für seine Sprösslinge Nachhilfekosten investiert, deren Übernahme nur dann gewährleistet ist, wenn sich durch die Nachhilfe tatsächlich ein Erfolg einstellt und wann dies beurteilt werden soll. Oft sind es gerade die ersten Nachhilfestunden, die zunächst ein gegenseitiges "Beschnuppern" und Annähern bedeuten, so dass ein Lernerfolg erst später einsetzt. Bis dies der Fall ist, bleiben die Eltern auf den Kosten sitzen - was letztendlich bedeuten wird, dass viele gar nicht erst Nachhilfe in Anspruch nehmen werden. Wie auch?