AT&T: Wir können WorldCom-Traffic übernehmen

AT&T ist sich sicher, im Falle eines Ausfalls der WorldCom-Backbones sofort rettend einspringen zu können.

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Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Holger Bleich

Die Angst geht um in den USA: Nach der WorldCom-Pleite spekulieren die Experten zurzeit darüber, was mit dem US-amerikanischen Internet passieren würde, wenn der neue Chef John Sidgmore aus Kostengründen die WorldCom-Backbones abschalten lassen müsste. Die Infrastruktur-Experten des Forschungsunternehmens Telegeography etwa wiesen jüngst darauf hin, dass WorldCom insbesondere mit dem zugekauften Netz von UUNet eine tragende Rolle für den IP-Transport in den USA spiele.

Alles halb so schlimm, versicherte jetzt das Konkurrenzunternehmen AT&T. Sein Unternehmen könne den auflaufenden WorldCom-Traffic quasi über Nacht problemlos in seine eigenen Netz umleiten, sagte Hossein Eslambolchi, Chief Technology Officer von AT&T. "Das ist wirklich keine große komplexe Geschichte", sagte er. Die Menge des IP-Traffics, den WorldCom derzeit durch sein Netz leite, sei "lange nicht so hoch, wie manche Quellen berichtet haben".

Eslambolchi beruft sich auf eine Studie der Beratungsfirma RHK, nach der das US-amerikanische IP-Netzwerk von AT&T im transportierten Datenvolumen etwa mit WorldComs UUNet-Backbones gleichauf liege. Die Studie belege des Weiteren, dass über 50 Prozent des US-Traffic von kleinen Providern abgewickelt werde, die notfalls auch eine größere Last übernehmen könnten. Laut RHK transportieren AT&T und WorldCom jeweils rund 15 Prozent des US-amerikanischen Traffics.

Kritiker halten die Marketing-Offensive von AT&T allerdings für zu vollmundig. Selbst RHK-Chefanalyst John Ryan glaubt, dass die Übernahme des IP-Traffics trotz genügender Kapazitäten von AT&T kein leichtes Unterfangen wäre. "Dahinter steckt enorm viel Arbeit", gab er zu bedenken. "Es würde nicht reichen, einfach viel Geld reinzuschmeißen."

Damit befindet er sich auf der Linie seiner Kollegen von Telegeography, obschon diese einen anderen Analyseansatz verfolgen: Für ihren Report Packet Geography 2002 untersuchten sie weltweit sämtliche Tabellen aus dem Routing-Protokoll BGP (Border Gateway Protokoll), dass momentan zum Routing zwischen den einzelnen Teilnetzen des Internet eingesetzt wird. Damit wollte Telegeography den Vernetzungsgrad von Providern herausfinden, die ein eigenes so genanntes Autonomous System (AS) betreiben -- also ein eigenes Netz innerhalb des Internet. Sie parsten die Routing-Daten und ermittelten, welcher Provider über welche Anzahl von Verbindungen zu anderen Netzen (Peerings) und Down- und Upstreams verfügt.

Die so gewonnenen Zahlen belegen die Dominanz von WorldCom in den USA recht deutlich. So verfügte im September 2001 alleine der UUNet-Backbone (AS 701), also eines von fünf WorldCom-Netzen, über 2195 Downstreams und 31 Upstreams. Zum Vergleich: An das US-amerikanische AT&T-Netz (AS 7018) sind laut Telegeography 475 Downstreams und 15 Upstreams angeschlossen. So mag AT&T zwar mit der Aussage Recht haben, die Kapazität des eigenen Netzes reiche für die Übernahme des WorldCom-Traffic aus -- bis dieser aber auch tatsächlich über AT&T laufen könnte, wäre einiges an Arbeit und Investitionen in Verbindungen zu anderen Netzen notwendig.

Zu dem Thema siehe auch: (hob)

  • Löcher im Netz -- Internet-Struktur, optische Netze und die Krise der Carrier, c't 15/2002, S. 72