Action mit digitalen Effekten

Wann immer die Drehbücher etwas Besonderes für die Kinoleinwand vorsehen, schlägt die Stunde der Computeranimationen und ihrer Macher.

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Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Christian Sokolowski
  • Christian Rabanus
  • dpa

Wilde Laser-Gefechte mit explodierenden Raumschiffen, sprechende Spielzeuge und quicklebendige Dinosaurier – wann immer die Drehbücher etwas Besonderes für die Kinoleinwand vorsehen, schlägt die Stunde der Computeranimationen und ihrer Macher. Dabei werden Dank immer ausgefeilterer Technik und immer modernerer Rechner die Spezialeffekte in Filmen immer realistischer.

"Zunächst waren digitale Effekte noch sehr teuer", erinnert sich Jochen Schütze von der in Hamburg erscheinenden Zeitschrift Cinema. Den Anfang machte dabei vor einigen Jahren die Werbebranche: 1997 konnten Kinobesucher etwa in einem Werbespot des Autoherstellers Ford den längst verstorbenen Hollywood-Star Steve McQueen am Steuer des neuen Sportwagens Puma erleben. Bilder aus dem McQueen-Film Bullit wurden dazu kopiert und auf das Filmmaterial mit dem neuen Automodell gelegt. Die Aufnahmen mussten dabei hinsichtlich des Kamerawinkels und der Beleuchtung exakt mit denen aus Bullit übereinstimmen.

"Die erste längere digitale Trick-Szene in einem Kinofilm gab es dann in Mission Impossible in der Szene, in der sich Darsteller Tom Cruise vor einem Tunnel gerade noch rechtzeitig von einem Hubschrauber an den Zug hängt", sagt Schütze. "Diese Sequenz dauert nur wenige Minuten und hat doch eine ganz schöne Stange Geld gekostet. Der gleiche Spezialeffekt wäre heute nur noch halb so teuer, und wenn unsere Kinder erwachsen sind, können die das vielleicht sogar mit ihren Computern zu Hause machen."

Der Trend bei den Filmemachern in Sachen Computereffekte geht immer mehr in Richtung Fotorealismus. Selbst ein fiktives Raumschiff aus dem hintersten Winkel des Weltalls soll so echt wie möglich aussehen. "Das ist alles eine Frage der Zeit und des Geldes", sagt Thomas Mulak, Produktionsleiter bei der Firma Effectory in Potsdam. "Entscheidend ist, was der Kunde will. Wir konzipieren die digitalen Spezialeffekte anhand des Stoffes und schauen in die Drehbücher, um zu sehen, wo was genau gebraucht wird. Dabei decken wir ein sehr großes Gebiet von der Charakteranimation zum Beispiel von Dinosauriern bis hin zur Ergänzung von Kulissen und Filmbauten ab."

Für den US-amerikanischen Spielfilm Im Fahrwasser des Todes erschufen die Tüftler aus Potsdam etwa digitale U-Boote und sorgten auch gleich für die richtige Unterwasseratmosphäre. Ähnliche Effekte produziert auch die in München-Grünwald ansässige Firma CA Scanline.

"Wir haben eine spezielle Software entwickelt, um das Verhalten von Stoffen oder Oberflächen so realistisch wie möglich darzustellen", erklärt Geschäftsführer Thomas Zauner. "In einer Szene der Fernsehserie Helicops wird beispielsweise ein Schiff in einem Schiffshebewerk von einer Rakete getroffen und bricht auseinander. Diese Sequenz haben wir auf unseren Rechnern erstellt und man sieht, wie das Wasser spritzt, der Beton birst und das Schiff auseinander bricht." Das alles ist jedoch rein virtuell.

In den USA sind jetzt zeitgleich zwei Filme gestartet, die etliche dramatische Szenen dem Computer verdanken: Der Sturm, Wolfgang Petersens Verfilmung des gleichnamigen Romans von Sebastian Junger, sowie Der Patriot von Roland Emmerich. Das Unternehmen, das für Emmerich die gesamten Modelltrickeinstellungen gemacht hat, heißt MagicMove und sitzt ebenfalls in München.

"Der Film spielt zur Zeit des amerikanischen Unabhängigkeitskriegs in South Carolina", sagt Geschäftsführer Sebastian Cramer. "Unsere Aufgabe war, die Originalschauplätze mit Häusern aus dieser Zeit zu ergänzen. Dazu mussten wir Modelle von historischen Segelschiffen und Gebäuden anfertigen und diese dann so geschickt in den Film einbauen, dass die Kinozuschauer den Unterschied nicht merken." So wurden in einer in Charleston spielenden Szene im Hintergrund fehlende Gebäude mit künstlichen Südstaaten-Häusern überdeckt.

Letzter Schrei in der bunten Welt der Spezialeffekte sei jedoch die digitale Animation eines ganzen Darstellers. "Das ist trotz des großen Aufwands grundsätzlich machbar, aber vor allem bei längeren Sequenzen sieht man immer noch den Unterschied zwischen einem digitalisierten Schauspieler und einem aus Fleisch und Blut. Zu einem waschechten Menschen gehören eben neben der Optik unter anderem auch die Bewegungsabläufe und die Stimme", sagt Thomas Zauner, "das wird noch einige Zeit dauern, bis man das perfekt hinbekommt."

Nötig wurde dieser Aufwand beim Kinofilm Gladiator von Ridley Scott. Während des Drehs starb plötzlich Darsteller Oliver Reed an einem Herzanfall. Daher mussten einige Szenen mit Hilfe des Computers vervollständigt werden, um den Film vollenden zu können. "Morphing heißt das in der Fachsprache", sagt Hollywood-Kenner Jochen Schütze. Ganz so weit ist der Darsteller aus der Computerretorte aber noch nicht gediehen. Bei den beiden Toy-Story-Filmen agierten zunächst Spielzeuge. "Da macht es nichts, wenn die mal ruckeln", so Schütze. "Menschen haben aber einen Instinkt dafür, was eine harmonische Bewegung ist und was nicht. Das ist eben auch der Grund, warum Zeichentrickfilme im Moment eigentlich nur mit Tieren wirklich gut funktionieren. An digitalisierten Darstellern muss noch mehr gefeilt werden. Aber das ist nur eine Frage der Zeit."

Eine Firma in Hollywood hat die Zeichen der Zeit schon erkannt und sich für die Summe von 200 000 Dollar (etwa 420 000 Mark) die Computerrechte an Marilyn Monroe gesichert, um die längst verstorbene Sex-Bombe in künftigen Filmen einsetzen zu können. Kino-Experte Schütze ist sich sicher: "Irgendwann werden wir wirklich eine Liebesszene mit Marilyn Monroe und Harrison Ford sehen, obwohl sie schon längst tot war, als er seinen ersten Film drehte." (Christian Sokolowski/dpa) (chr)