Afghanistan War Logs: US-Regierung übt Schadensbegrenzung

Washington wiegelt nach der Veröffentlichung der Militärakten zum Afghanistan-Krieg durch Wikileaks ab. Kaum Neues böten die Dokumente. Doch das Ausmaß des Lecks zerrt an den Nerven. Die Obama-Regierung fürchtet um Menschenleben. Und der Verbündete Pakistan musste beruhigt werden.

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Von
  • dpa

Nach der aufsehenerregenden Veröffentlichung Zehntausender großteils geheimer Militärakten zum Afghanistan-Krieg durch die Whistleblower-Site Wikileaks in Zusammenarbeit mit Spiegel, New York Times und Guardian übt sich die US-Regierung in Schadensbegrenzung. "Die Dokumente offenbaren keine Sachverhalte, die nicht schon Teil der öffentlichen Diskussion über Afghanistan waren", erklärte Präsident Barack Obama in seiner ersten öffentlichen Stellungnahme dazu vor Journalisten in Washington. Vielmehr zeigten die Papiere aus den Jahren 2004 bis 2009 bekannte Probleme auf, wegen derer er im vergangenen Jahr die Afghanistan-Strategie der USA ausführlich überarbeitet habe.

Sorge bereitet Washington aber die schiere Materialmenge, die von Wikileaks ins Internet gestellt wurde. "Neu und beispiellos sind Ausmaß und Umfang dieses Lecks", räumte Pentagon- Sprecher Geoff Morrell am Montag ein. Eine Untersuchung soll nun klären, wie die Dokumente ans Licht kamen.

Das Weiße Haus brandmarkte die Veröffentlichung auf der Enthüllungswebseite als "Verletzung von Bundesgesetzen". Obama zeigte sich besorgt über mögliche Konsequenzen für "einzelne Beteiligte der Operation". Der Schritt "hat das Potenzial, sehr schädlich zu sein, für Militärangehörige, für jene, die mit unserem Militär zusammenarbeiten und für jene, die für unsere Sicherheit sorgen", sagte Obamas Sprecher Robert Gibbs. Die Veröffentlichung sei eine "besorgniserregende Entwicklung, was die Sicherheit von Operationen angeht".

Auch wenn die Dokumente laut Obama keine Geheimnisse enthüllen, werden in ihnen Namen, Operationen und logistische Unternehmungen genannt. "Das stellt eine sehr reale und potenzielle Bedrohung für jene dar, die jeden Tag sehr hart für unsere Sicherheit arbeiten", sagte Gibbs.

US-Medien und Experten kamen am Dienstag ebenfalls zu dem Schluss, dass die Dokumente kaum wirklich neue Erkenntnisse enthielten. "Das Wikileaks-Material bestätigt und ergänzt die Berichte über Afghanistan zwischen 2004 und 2009, mit denen die meisten Amerikaner bereits vertraut sind", schreibt die Washington Post. "Die Dokumente bieten wenig neue Enthüllungen und bestehen zumeist aus rohen und möglicherweise fehlerhaften Geheimdienstinformationen", urteilte das Wall Street Journal. "Ich habe bislang nichts in den Dokumenten gesehen, das mich entweder überrascht oder mir etwas Bedeutendes mitgeteilt hätte", schreibt Afghanistan-Experte Andrew Exum in einem Beitrag für die New York Times.

Die über 90.000 – überwiegend geheimen – Militärdokumente im Internet geben unter anderem Hinweis darauf, dass die Zahl der zivilen Opfer höher ist als angenommen. Im Einsatzgebiet der Bundeswehr ist die Sicherheitslage außerdem offenkundig schlechter als von der Bundesregierung eingeräumt. Zudem geht aus den Akten hervor, dass US-Militärs über Jahre von einer direkten Kooperation von Pakistans Militärgeheimdienst ISI mit den Taliban ausgingen. Auch wird der Einsatz von Geheimkommandos gegen die Taliban beschrieben.

Nach einem Bericht des Wall Street Journal hatte der US- Sonderbeauftragte für Afghanistan und Pakistan, Richard Holbrooke, in einem Telefonat dem pakistanischen Präsidenten Asif Ali Zardari versichert, dass die Regierung Obama die Veröffentlichung nicht billige. "Die größte Sorge der Amerikaner war: Wie werden es die Pakistaner aufnehmen?", wird ein hoher pakistanischer Regierungsmitarbeiter zitiert.

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(jk)