Alan-Turing-Film "The Imitation Game": Wenn die Bombe nicht stoppen will

Der Alan-Turing-Film "The Imitation Game – Ein streng geheimes Leben" überzeugt mit seinen Darstellern und schwächelt in der Darstellung der Kryptologie.

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Alan-Turing-Film "The Imitation Game": Wenn die Bombe nicht stoppen will

Benedict Cumberbatch als Alan Turing

(Bild: Standbild aus dem deutschen Trailer zum Film)

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Ralf Bülow

Nach den drei britischen Produktionen "Breaking the Code" (1996), "Enigma" (2001) und "Codebreaker" (2011) ist "The Imitation Game – Ein streng geheimes Leben" der vierte Versuch, Leben und Leistung des Mathematikers Alan Turing filmisch zu würdigen. Der vom US-Studio The Weinstein Company unter der Regie des Norwegers Morten Tyldum gedrehte Streifen kam schon im November in die englischen und US-Kinos; der deutsche Start ist für den 22. Januar 2015 vorgesehen.

"The Imitation Game" erzählt primär von Turings Arbeit im Entschlüsselungszentrum Bletchley Park während des 2. Weltkriegs; zwei Nebenhandlungen gehen auf seine Schulzeit im Internat und auf Geschehnisse in den frühen 1950er Jahren ein, als er an der Universität Manchester lehrte. Ein Einbruch in Turings Haus führte damals zur Anklage und Verurteilung wegen "grober Unzucht". Der homosexuelle Turing unterwarf sich einer Hormontherapie und nahm sich 1954 das Leben.

Der Film basiert, wie es zu Beginn heißt, auf der bekannten Turing-Biographie von Andrew Hodges, löst sich aber über weite Strecken von den Tatsachen. Die mehrere tausend Köpfe starke Belegschaft von Bletchley Park schrumpft auf fünf Kryptologen, einige Soldaten und einen Saal junger Damen, die den mit der deutschen Chiffriermaschine Enigma verschlüsselten Funkverkehr empfangen und notieren. Dazu kommt der Chef des Zentrums, Commander Alastair Denniston, der als Turings Antipode auftritt.

Es gehört zu den Regeln des Biopics, dass es reale Ereignisse und Personen sinnvoll überarbeiten darf. So verknüpft "The Imitation Game" Alan Turing mit dem Sowjetspion John Cairncross, der ebenfalls in Bletchley Park Dienst tat, aber in einer ganz anderen Abteilung. Der Kino-Turing meldet den Spion dem Chef des Geheimdienstes MI6, der jedoch Bescheid weiß: MI6 benutzt Cairncross, um den Russen Informationen für den Kampf gegen die Deutschen zu übermitteln.

Bei der Kryptologie führt das Abweichen von der Wahrheit allerdings in die Irre. Im Film baut Turing die Bombe, eine Maschine, die durch automatisches Probieren die Enigma-Tageseinstellung liefert – sofern sie anhält. Der Erfolg kommt durch die plötzliche Erleuchtung, bei einem zu entschlüsselnden Funkspruch "Heil Hitler" als Zusatzinformation vorzugeben: Die Bombe stoppt, der Code ist geknackt, der Krieg gewonnen. In Wirklichkeit musste man in eine Turing-Bombe stets wahrscheinliche deutsche Klartext-Worte einspeisen, sonst hätte sie gar nicht funktioniert.

Über die wissenschaftlichen Schwächen des Drehbuchs – verantwortlich war der Amerikaner Graham Moore – trösten die exzellenten britischen Schauspieler hinweg, Benedict Cumberbatch als genialisch-autistischer Turing ist allemal das Eintrittsgeld wert. Kulissen und Kostüme sorgen für die passende 1940er-Jahre-Stimmung, wer aber die Wahrheit über das Imitationsspiel wissen will, muss immer noch auf Turings Aufsatz "Computing Machinery and Intelligence" von 1950 zurückgreifen. (anw)