"Albtraumszenario": US-Dienste kaufen massenhaft Handydaten für Überwachung

US-Behörden kaufen von der Wirtschaft Überwachungsdaten. Ein offizieller Bericht gibt nun einen Eindruck vom gesamten Ausmaß der Praxis.

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Hände an Smartphone

(Bild: nimito/Shutterstock.com)

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Massenhafte, aber auch gezielte Überwachung, die US-Geheimdiensten und Strafverfolgungsbehörden auf herkömmlichem Weg untersagt oder mit hohen Hürden versehen ist, ist dank kommerziell verfügbaren Daten in großem Umfang möglich. Das geht aus einem Bericht der US-Geheimdienstkoordinatorin Avril Haines hervor, der jetzt öffentlich gemacht wurde. Darin wird zusammengefasst, wie US-Behörden auf dem freien Markt immense Datensammlungen über die Bevölkerung einkaufen, ohne dass es dabei eine Kontrolle gibt, wie sie eigentlich für Überwachungen vorgesehen ist. Kritiker sprechen von einem Albtraumszenario.

"Der Regierung wäre es nie erlaubt worden, Milliarden Menschen dazu zu verpflichten, jederzeit Geräte zur Standortüberwachung bei sich zu haben, ihre sozialen Interaktionen aufzuzeichnen oder lückenlose Aufzeichnungen ihrer Lesegewohnheiten vorzuhalten", fasst das Office of the Director of National Intelligence zusammen. Doch Smartphones, vernetzte Fahrzeugen, Webtracking, das Internet der Dinge und "andere Innovationen" hätten die gleichen Folgen, ohne dass die Regierung etwas tun müsse. Kommerziell verfügbare Informationen (CAI) würden ihre Macht in einer Weise erweitern, die über verfassungsrechtliche Traditionen oder gesellschaftliche Erwartungen hinausgeht.

Dass US-Behörden kommerziell verfügbare Mobilfunk-Daten zu Bürgern und Bürgerinnen erwerben und auswerten, ist dabei nicht neu, der jetzt vorgelegte Bericht gibt aber erstmals einen Überblick darüber, wie weitverbreitet die Praxis ist. So heißt es darin, dass auf Basis von "Social-Media-Berichten" etwa geprüft wird, ob ein Individuum eine Freigabe für den Einblick von geheimen Informationen bekommt. Andere Datenbanken werden demnach von der US-Marine, dem Finanzministerium, dem Verteidigungsministerium, der Bundespolizei FBI und auch der US-Küstenwache genutzt. Ein nicht genannter US-Geheimdienste bekommt demnach Geld für den Erwerb von kommerziell verfügbaren Meta-Standortdaten.

Erstellt wurde der Bericht in Auftrag des US-Senators Ron Wyden, der gegenüber Wired die erläuterte Praxis kritisiert. Er habe schon seit Jahren gewarnt, dass traditionelle Schranken ihren Sinn verlieren, wenn man einfach mit einer Kreditkarte persönlichen Daten von US-Amerikanern kaufen kann. Sean Vitka von Demand Progress hält den Kauf der Daten demnach sogar für gesetzeswidrig, denn das US-Parlament und der Oberste Gerichtshof hätten klargestellt, dass die Regierung nicht über solche Daten verfügen darf. Darauf geht der Bericht selbst nicht ein, dort wird stattdessen davor gewarnt, dass auch andere in den Besitz der Daten gelangen könnten.

Erst im Herbst 2022 war bekannt geworden, dass lokale Strafverfolgungsbehörden in den USA dank einer weitgehend unbekannten Firma Zugriff auf Bewegungsdaten zu 250 Millionen Mobilgeräten haben. Hunderte Milliarden Standortdaten aus mehreren Jahren können damit teils ohne die Zustimmung eines Richters durchsucht werden. Zu welchen Zwecken die ursprünglich für die Werbeindustrie gesammelten Daten inzwischen sogar nur von nichtstaatlichen Stellen genutzt werden, hatte dann ein Fall im Frühjahr illustriert: Eine katholische Organisation hat für mehrere Millionen US-Dollar Daten von Mobilfunk-Apps gekauft, um damit Priester zu identifizieren, die schwule Dating- und Hookup-Apps benutzen.

(mho)