Alles im Flow: Anagran will IP-Verkehr effizienter lenken

Einen neuen Anlauf, Datenströme im Internet effizienter zu lenken und am Bandbreitenhunger des Web kommerziell zu partizipieren, unternimmt Internet-Pionier Lawrence Roberts.

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Von
  • Sven-Olaf Suhl

Einen neuen kommerziellen Anlauf, Datenströme im Internet effizienter zu lenken und die Dienstgüte bandbreiten- und zeitkritischer Anwendungen wie Videostreams auch bei hoher Netzauslastung sicherzustellen, unternimmt einer der Väter des Arpanet, Lawrence Roberts, mit der von ihm gegründeten Firma Anagran. Das zugrundeliegende Verfahren, IP-Traffic mittels "Flows" möglichst optimal zu lenken, wird unter Internet-Experten seit geraumer Zeit diskutiert. So etwa in der Diplomarbeit von Hendrik Hasselberg, die als PDF-Datei (2002/03, 97 Seiten, 1 MByte) auf dem Server der FH Bonn-Rhein-Sieg verfügbar ist: "Ein Flow kann über bestimmte Attribute wie beispielsweise Quell- und Ziel-IP-Adresse eindeutig identifiziert werden. Alle Datenpakete, deren Attribute denen des Flows entsprechen und die innerhalb einer bestimmten Zeitspanne aufeinander folgen, können als dem Flow zugehörig betrachtet werden."

Anagran beschreibt seine Technik, die in das erste kommerzielle Produkt des Hauses, den FR-1000 Intelligent Flow Router, eingeflossen ist, in einem ausführlichen Überblick. Beispielhaft für einen Flow stehen abgrenzbare Anwendungen wie ein bestimmter Videodownload oder ein VoIP-Telefonat. Wenngleich kompatibel zu herkömmlichen Layer-3-IP-Routern betrachtet der Anagran FR-1000 zusammenhängende IP-Verkehre durchgängig als Flow und verfolgt in Echtzeit Dauer und Datenrate eines jeden Flows.

Heute eingesetzte Quality-of-Service-(QoS-)Verfahren, die zum Beispiel zeitkritische Anwendungen wie VoiP oder Videostreams gegenüber anderen IP-Paketen priorisieren, haben Anagran zufolge den Nachteil, dass sie Latenzen infolge ihrer aufwendigen IP-Verkehrsregelung produzieren. Ferner könne es bei Netzüberlast – zum Beispiel, wenn in einem Netz bereits fünf Videostreams übertragen werden und ein weiterer Nutzer zugleich einen sechsten Stream anfordert – bei überkommenen QoS-Verfahren dazu kommen, dass mit einem Mal alle Streams abreißen. Mittels "Intelligent Flow Discard" soll der Anagran-Router hingegen nur den letzten hinzugekommenen Stream verwerfen (to discard), um so die weitere Übertragung der laufenden fünf Streams zu gewährleisten. Anstelle von Quality of Service spricht Anagran hier vollmundig von "Quality of Experience". Um den erwarteten rapiden Anstieg der IP-Ströme infolge Quadruple-Play-Angeboten, zum Beispiel Kombi-Angeboten aus Breitband-Internet, IPTV, Video-on-Demand und VoIP bewältigen zu können, setzt Anagran zusätzlich auf "Behavioral Traffic Control", die eine optimierte Lenkung der IP-Ströme auf den stark benutzten Datenautobahnen verspricht.

Mit Anagran unternimmt Netzpionier Lawrence Roberts den zweiten Anlauf innerhalb einer Dekade, kommerziell am wachsenden Bandbreitenhunger des Internets teilzuhaben: 1998 hatte er den Netzwerkausrüster Caspian Networks gegründet, das zunächst Router und später Netzwerkgeräte zur QoS-Regelung herstellte. 2004 hatte Roberts das Unternehmen wieder verlassen, Mitte 2006 stand es zum Verkauf. (ssu)