Alte und neue Begehrlichkeiten bei IANA

Einzelne Regierungen verfügen offenbar bereits heute über "Sonderrechte" beim Update von Zonendaten ihrer Länderdomains. Das wurde auf dem Treffen der Internet Corporation for Assigned Names and Numbers in Marrakesch deutlich.

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Von
  • Monika Ermert

Einzelne Regierungen verfügen offenbar bereits heute über "Sonderrechte" beim Update von DNS-Zonendaten ihrer Länderdomains (country code Top Level Domain, ccTLDs). Nach Informationen aus gut unterrichteten Kreisen, die heise online am Rande des Treffens der Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN) in Marrakesch erhalten hat, gibt es etwa für die französische Regierung die Möglichkeit, Veränderungen in der .fr- und weiteren ccTLD-Zonen abhängiger Länder wie Reunion, Martinique oder Guadeloupe abzuzeichnen, bevor das US-Handelsministerium seine Unterschrift gibt.

Erfahrene Beobachter meinen, ein solches Verfahren sei auch möglich für die Länder, in denen die jeweilige ccTLD einer stärkeren nationalen Aufsicht unterstellt ist. Besteht ein Dreiecksvertrag zwischen der ICANN, der jeweiligen Länderregistry und der Regierung, dann sei ein solches "special requirement" durchaus denkbar, sagte Marylin Cade, seit Jahren als Lobbyistin auf dem ICANN-Parkett zu Hause.

Weitere Begehrlichkeiten und "special requirements" kann es mit der Einführung von eIANA geben, einem Automatisierungsystem für Nameserver-Updates in der Rootzone. Vor allem Sicherheitsbedenken seien bei eIANA zu berücksichtigen, eine eIANA sei nicht mehr dasselbe wie das bisherige System, sagte ein Regierungsmitglied gegenüber heise online. Dass Bedenken der Regierungen die rasche Einführung der eIANA abgebremst haben, mochte aber der Chef der IANA, David Conrad, nicht bestätigen.

Das System wurde ursprünglich auf Initiative der Centr-Mitglieder entwickelt, weil diese die langen Verzögerungen bei den Nameserver-Updates nicht mehr hinnehmen wollen. Gleich zu Beginn hatte der damalige Centr-Chef Paul Kane zwar klar gemacht, man wolle ICANN nicht als IANA-Betreiber ablösen. Tatsächlich hatte es aber zeitweilig durchaus Interessierte gegeben, die sich bei einer Neuausschreibung bewerben wollten, etwa die britische Nominet.

Bei der noch bis 4. Juli laufenden aktuellen Ausschreibung hat ICANN ein Vorzugsrecht erhalten, allerdings sei das Unternehmen sehr knapp an einer Neuausschreibung vorgeigeschrammt, sagte ein Beobachter aus dem Umfeld des Handelsministeriums. Auch dort sei die Unzufriedenheit mit IANA groß gewesen. Allerdings hätten Bedenken hinsichtlich der Konsequenzen eines von den USA durchgeführten Ausschreibungsverfahrens letztlich des Ausschlag dafür gegeben, ICANN ein Vorzugsrecht einzuräumen. Ob weitere potenzielle Interessenten trotzdem ihren Hut ins Rennen geworfen haben, ist nicht bekannt.

Die neueste Kritik an der IANA-Wiedervergabe kommt nun von Stuart Lawley, CEO von ICM Registry, dem abgewiesenen Betreiber von Der TLD .xxx. Laut einem Bericht von ICANN-Watch könnte das US-Handelsministerium mit der Aussicht, IANA doch offen auszuschreiben, die xxx-Entscheidung erzwungen haben. Lawley hat erneut basierend auf dem US-Informationsfreiheitsgesetz einen Antrag auf Einsicht der Dokumente gestellt.

ICANN hat allerdings nach dem Treffen in Luxemburg auf die Kritik an IANA reagiert und mit Conrad einen IANA-Chef ganz nach dem Geschmack der ccTLDs eingestellt. Conrad, ehemaliger CTO von Nominum, der in Marrakesch die Fortschritte bei der effizienteren Abarbeitung von Nameserver-Updates und anderen Zonenänderungen vorstellte, bedauerte lediglich, dass man mit eIANA noch nicht weiter gekommen sei. (Monika Ermert) / (anw)