Amazon verkauft manipulierte Intel Core i5-9600K
Dreiste Prozessorfälschung, geliefert und verkauft von Amazon: Nicht zum ersten Mal fällt der Online-Riese mit so einer Panne auf.
- Georg Schnurer
Mitte Januar wollte sich Emmerich S. einen neuen PC zusammenbauen. Zentrum des neuen Rechenknechts sollte eine Core-i5-9600K-CPU von Intel sein. Doch ausgerechnet dieses Prozessormodell war im Januar nur bei wenigen Händlern zu passablen Preisen zu haben. Einer der Anbieter, der den Core i5-9600K kurzfristig liefern konnte, war Amazon. Für 282,35 Euro – inklusive Versand nach Österreich – wurde der Prozessor hier feilgeboten. Am 25. Januar bestellte Emmerich S. die CPU sowie eine große SSD, einen Speicherriegel und ein Front-Panel für den bequemen Zugang zu den USB- und Audio-Ports. Das Board, ein MSI MPG Z390, das Netzteil und das Gehäuse hatte er sich bereits bei einem anderen Händler beschafft.
Wenige Tage später kam die Amazon-Lieferung an und der PC-Zusammenbau konnte beginnen. Beim Versuch, den neuen Prozessor im zugehörigen Sockel zu platzieren, stieß Emmerisch S. auf ein unerwartetes Problem: Die CPU passte irgendwie nicht hinein. Sofort prüfte er nach, ob er wirklich die richtige CPU für den Sockel vom Typ LGA 1151v2 des Boards bestellt hatte. Doch sowohl auf der CPU-Verpackung als auch beim Amazon-Angebot deutete alles auf einen Prozessor mit LGA-1151v2-Anschlüssen hin. Ratsuchend wandte er sich an die c’t-Redaktion.
Dreister Betrug
Anhand der von Emmerich S. mitgesendeten Bilder der unpassenden CPU war schnell zu erkennen, dass hier irgendetwas nicht stimmt: Zwar wirkte die Verkaufsverpackung des Prozessors wie eine Original-Box von Intel, doch der Prozessor selbst erschien uns als Fremdkörper. So trug er zwar die Aufschrift „i5-9600K“, doch die Schrifttype passte so gar nicht zu dem von Intel üblicherweise verwendeten Zeichensatz. Zudem sah der Heat-Spreader, also die Metallplatte auf der CPU-Oberseite, anders aus als bei einem echten Core i5-9600K. Auch die Aussparungen im CPU-Gehäuse waren an der falschen Position. Kein Wunder also, dass dieser Prozessor nicht ins Board passte. Das wollten wir uns genauer ansehen und ließen uns die CPU zur Überprüfung zusenden.
Im c’t-Labor war dann schnell klar, dass wir es hier mit einer besonders dreisten Variante einer manipulierten CPU zu tun hatten: Zwar trug der Prozessor die Aufschrift „Core i5“ und „i5-9600K“, doch seine Anschlussseite entsprach einem uralten Pentium 4 mit Sockel LGA-775 – kein Wunder, dass er nicht in eine moderne LGA-1151v2-Fassung passte. Nähere Untersuchungen identifizierten die CPU als „Intel Pentium 4 Processor 631 supporting HT Technology“ aus dem Jahre 2006. So ein CPU-Veteran hat in etwa die gleiche Größe wie ein aktueller Core i5-9600K und eignet sich so prima als Ausgangsmaterial für entsprechende Fälschungen.
Folie statt Laser
Bei der Manipulation der Beschriftung hatten sich die Fälscher wenig Mühe gegeben: Waren frühere CPU-Fälschungen noch per Laser beschriftet worden, musste nun eine bedruckte halbtransparente Folie ausreichen. Die wurde einfach passend ausgestanzt und auf den Heatspreader geklebt. Die Originalbeschriftung darunter war abgeschliffen worden, sodass die CPU in der Verpackung durchaus als echter Core i5-9600K durchgehen konnte. Der Betrug fiel natürlich sofort auf, sobald man versuchte, die Uralt-CPU in ein modernes Board zu setzen. Möglicherweise spekulierten die Fälscher darauf, dass sich ihre Spur auf dem Weg des Prozessors zum Endkunden irgendwo verliert.
Was sagen Intel und Amazon?
Wir übermittelten unsere Erkenntnisse zunächst an Intel und baten um eine Stellungnahme. Die Rechtsabteilung des CPU-Herstellers ließ uns wissen, dass man immer wieder auf gefälschte oder manipulierte Prozessoren im Markt stoße. Kunden, die sich vor solchen Reinfällen schützen wollen, rät Intel, Prozessoren grundsätzlich nur im autorisierten Fachhandel zu kaufen. Amazon scheint also – auch wenn Intels Rechtsabteilung es nicht explizit sagt – nicht zum Kreis der autorisierten Händler zu gehören.
Natürlich konfrontierten wir auch Amazon mit dem Fall. Schließlich ist es nicht das erste Mal, dass Amazon gefälschte Prozessoren an Kunden ausliefert. Wir baten Tobias Goerke von der Abteilung Amazon Corporate Communications, uns zu erklären, woher Amazon die verkauften Intel-CPUs bezieht und welche Maßnahmen der Online-Riese ergreift, um zu verhindern, dass sich Fälschungen ins Lager einschleichen. Zudem interessierte uns, wie es denn nun im Fall des betrogenen Kunden Emmerich S. weitergeht.
Leider war die Antwort des Amazon-Sprechers eher einsilbig: Zu den Quellen, über die Amazon Intel-Prozessoren erwirbt, wollte er sich nicht äußern. Auch zu konkreten Schutzmaßnahmen gegen gefälschte Prozessoren verriet uns Tobias Goerke wenig. Immerhin: Im Fall von Emmerich S. hat Amazon den Weg des Prozessors zurückverfolgt und festgestellt, dass die CPU aus einer Kundenrücksendung stammt. Diese sei überprüft und dann wieder als Neuware ins Lager aufgenommen worden. Dabei hätte der Wareneingang offensichtlich übersehen, dass in der Originalverpackung eine manipulierte CPU steckte.
Den Kunden, der die manipulierte CPU zurückgesendet hat, habe man vom Handel auf Amazon ausgeschlossen. Sobald die manipulierte CPU wieder bei Amazon sei, versicherte uns Tobias Goerke, werde man den Wareneingang nachschulen, damit entsprechende Manipulationen künftig entdeckt werden. Generell sei man daran interessiert, dass jeder Amazon nutzen könne. Es gäbe aber seltene Fälle, in denen jemand den Amazon-Service missbrauche. „Wir empfehlen Kunden, sich direkt an uns zu wenden, damit wir etwaige Auffälligkeiten überprüfen können,“ rät der Amazon-Sprecher. Bei Bedarf ergreife man dann Maßnahmen, um das Einkaufserlebnis für alle Kunden zu schützen.
Ob es sich, wie es der Amazon-Sprecher durchblicken ließ, bei der an Emmerich S. gelieferten gefälschten CPU wirklich nur um einen einzelnen Rücksendebetrug handelt, können wir natürlich nicht beurteilen. Der bei der Fälschung betriebene Aufwand – CPU unauffällig abschleifen, Folie bedrucken, ausstanzen, korrekt aufkleben und anschließend wieder sorgfältig in die Originalverpackung bugsieren – lohnt sich allerdings nur, wenn Fälscher hier in größerem Maßstab agieren.
Ein gutes Ende?
Emmerich S. hat nach unserer Intervention bei Amazon in jedem Fall keinen Schaden durch die gefälschte CPU erlitten: Amazon hat den Kaufpreis unverzüglich erstattet und dem Kunden einen Einkaufsgutschein im Wert von 50 Euro als Entschädigung für den Ärger gesendet. Obendrauf gab es noch einen 8-GByte-DIMM-Riegel als Erweiterung für sein neues System.
Dieser Beitrag ist zuerst in c't 6/2019 erschienen. (gs)