America Movil übernimmt die Macht bei Telekom Austria

Die Republik Österreich unterschrieb in letzter Minute einen Syndikatsvertrag mit América Móvil. Die Österreicher bekommen Posten, die Mexikaner das Sagen.

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Chaos. So beschreiben österreichische Medien die Umstände des Abschlusses eines Syndikatsvertrages über die Zukunft der Telekom Austria Group (TA). Mittwoch um Mitternacht endete die Frist für eine Vertragsunterzeichnung durch América Móvil (AMX) und die Republik Österreich, vertreten durch ihre Holding ÖIAG. Ab Donnerstag hätte aus rechtlichen Gründen eine Wartefrist von einem Jahr gegolten. Doch auf Seiten der ÖIAG war zunächst keine ausreichende Zahl an Aufsichtsräten aufzutreiben.

Denn die fünf Arbeitnehmervertreter boykottierten die Sitzung, weil sie den Syndikatsvertrag ablehnen. Drei Kapitalvertreter hielten sich im Ausland auf, darunter auch Ex-Siemens-Österreich-Chefin Brigitte Ederer, die ebenfalls gegen das Abkommen ist. Zudem ist ein Aufsichtsratssitz verwaist. Somit fanden sich von eigentlich 15 Aufsichtsräten nur sechs ein – einer zuwenig für einen gültigen Beschluss.

In letzter Minute konnte der in Palästina weilende Chef des Gremiums, Peter Mitterbauer, nach Wien eingeflogen werden. Die Unterschriften wurden, gerade noch rechtzeitig, in den Abendstunden geleistet. Schon dieser Ablauf ist eine Blamage für die staatliche Holding.

Der ÖIAG gehören gut 28 Prozent der TA-Anteile. América Móvil hält mindestens rund 27 Prozent. AMX steht unter der Kontrolle Carlos Slim Helús, des zweitreichsten Manns der Welt. Die TA steckt in der Krise. Die ausnehmend kostspielige Versteigerung österreichischer Frequenznutzungsrechte hat ein Loch in die Kasse gerissen. Gleichzeitig sinken die Erträge.

Gründe dafür gibt es mehrere, darunter ein zumindest politisch fragwürdiges Investment in Weißrussland. Aufgrund des Verfalls des weißrussischen Rubels hat es sich finanziell nicht so entwickelt wie geplant. Dazu kommt ein abstoßender Sumpf aus Korruption, die jahrelang von höchster Ebene betrieben und gepflegt wurde. Die deswegen anhängigen Gerichtsverfahren sind so zahlreich, dass sie durchnummeriert werden müssen.

So kann die TA mit den großen europäischen Telcos nicht mithalten und findet angesichts der Umstände auch schwer einen Partner. Es fehlen eine neue Strategie und frisches Geld. Auftritt Carlos Slim Helú.

Carlos Slim Helú bei einer Rede im März 2013.

(Bild: ITU, CC-BY 2.0 (Ausschnitt aus dem Originalbild))

Slim hat Geld, und seine América Móvil ist von stattlicher Größe. Der Mexikaner will schon lange in Europa Fuß fassen, ist aber bei der KPN gescheitert. Bei der TA hatte er nun Erfolg. Für mindestens zehn Jahre gewährt ihm die ÖIAG die alleinige industrielle Führung der TA. Dazu kommt eine Option auf Verlängerung um weitere fünf Jahre.

Im Gegenzug bleibt während der Laufzeit des Vertrages der TA-Firmensitz in Österreich, und die ÖIAG darf Generaldirektor und Aufsichtsratschef nominieren. Im Aufsichtsrat haben aber die Mexikaner die Stimmenmehrheit, und auch im Management bleibt der Generaldirektor nicht allein. "Kalte Enteignung" nennt das die österreichische Journalistin Luise Ungerboeck.

Vereinbart wurde zudem eine Kapitalerhöhung von insgesamt einer Milliarde Euro. Da die ÖIAG ihre Sperrminorität bei bestimmten Kapitalmaßnahmen behalten möchte, wird sie eine Stange Geld in die Hand nehmen müssen.

Das Gesetz verlangt jetzt ein Übernahmeangebot an die restlichen Aktionäre, die nun in der Minderheit sind. AMX will gerade einmal 7,15 Euro je Aktie bieten. Das sind zwar 50 Cent mehr als der jüngste Schlusskurs, aber weniger, als das Ende Februar erreichte Jahreshoch von 7,40 Euro.

Die Arbeitnehmervertreter in der ÖIAG kritisieren, dass der Syndikatsvertrag keine Arbeitsplatzgarantie enthält. Auch sonst ließe er zu wünschen übrig: Die vereinbarten Investitionen seien weder der Höhe noch dem Ziel nach bestimmt. Die Verwendung der Milliarde aus der Kapitalerhöhung sei nicht geregelt, und ein Businessplan fehle überhaupt. Außerdem heble das Abkommen die Rechte der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat aus.

Lange hatten ÖIAG und AMX über den Vertrag verhandelt, das aber zunächst abgestritten. Im Februar kam dann doch eine offizielle Bestätigung, was laut österreichischem Übernahmegesetz eine Frist von 40 Tagen für den Vertragsabschluss in Gang setzte. Das dient dem Schutz der nicht beteiligten Aktionäre.

Auf Seiten der ÖIAG musste der Vertrag durch den Aufsichtsrat genehmigt werden. In 40 Tagen hätte sich doch ein Termin finden lassen sollen. Doch bei der ÖIAG wartete man bis zum letzten Tag, und dann waren gleich drei Kapitalvertreter abwesend. Da witterten die Belegschaftsvertreter im Aufsichtsrat ihre Chance und blieben zu Hause. Ihre Strategie wäre fast aufgegangen.

Vielleicht können sie aber doch noch Sand ins Getriebe streuen. An den noch erforderlichen behördlichen Genehmigungen wird die Sache zwar kaum scheitern. Aber der verwaiste Sitz im Aufsichtsrat könnte eine Anfechtungsklage nach sich ziehen. Das würde den weiteren Ablauf verzögern. (ds)