"Amerikas beste Hausfrau" düpiert deutsche Digital-Lifestyle-Konferenz

Die Zur-Schau-Stellung einer spießigen amerikanischen Wohnlandschaft karikierte das Motto der ambitionierten dreitägigen Burda-Konferenz "Digital Life Design": "Uploading the 21st Century".

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Von
  • Detlef Borchers

Mit der Verleihung des "Aenne Burda Awards 2008" an die 67-jährige amerikanische Lifestyle-Expertin Martha Stewart begann die Münchener Konferenz "Digital Life Design" der Hubert Burda Media eher enttäuschend. In einer skurrilen Vorführung packte "Amerikas beste Hausfrau" ein Dutzend sorgsam in Plastik eingewickelte Gadgets vom Akku-Ladegerät bis zum Amazon eBook aus und ließ danach in einer ausführlichen Diashow ihrer Obsession für Lifestyle freien Lauf: "Mein Haus, meine Küche, mein Nähzimmer, mein Fotoraum" – die Zur-Schau-Stellung einer spießigen amerikanischen Wohnlandschaft karikierte das Motto der ambitionierten dreitägigen Konferenz: "Uploading the 21st Century".

Den Upload ins 21. Jahrhundert erklärt der kunstsinnige Gastgeber Hubert Burda im Konferenzbüchlein mit einem Vergleich mit dem 15. Jahrhundert. Damals wurde der Buchdruck erfunden und neue Kontinente entdeckt. Etwas Ähnliches passiere heute in der "Schwellenzeit" zum neuen Jahrhundert. Der Erfindung des Buchdruckes entspreche die Erfindung des Internets, die Kontinente voller Sklaven und Gewürzen entsprächen der fieberhaften Suche nach tragfähigen Geschäftsmodellen. Dabei falle der Injektion oder dem Upload eine wichtige Rolle zu: Ehe mit dem Teehandel Millionen verdient werden, muss klar sein, dass Tee getrunken werden muss. Die ersten Teeladungen, die nach England kamen, wurden als Gemüse angepriesen und gekocht gelöffelt. Ohne die Anrichtung und Anreicherung digitaler Prozesse, die junge Leute heute konsumieren, kann das Geschäft getrost vergessen werden.

Dementsprechend erzählte Hubert Burda im ersten Panel der Konferenz mit 1000 geladenen Teilnehmern, dass er die meisten neuen Geschäftsideen durch die Beobachtung der Kinder aus zweiter Ehe gewinnt. Seine Gesprächspartner hatten ganz andere Probleme: So lieferte Martin Sorell, Chef des Werbekonzerns WPP, eine Hommage auf Angela Merkel und Nicolas Sarkozy als letzte große Politiker und hoffte auf einen neuen US-Präsidenten in der Tradition von Ronald Reagan. Richard Wurman, Gründer der TED-Konferenzen (heimliches Vorbild der DLD), ärgerte sich über chaotisch gebaute Städte, die einfachen globalen Sanierungskonzepten widerstehen. Die beste Idee hatte noch der Venture-Kapitalist Joe Schoendorf von Accel: Er fragte in das zum Bersten gefüllte Auditorium, wer denn unter 25 Jahre sei. Drei Hände hoben sich.

Im dritten Jahr seiner Verleihung hat es der "Aenne Burda Award" von einem ehemals schlichten Gips-Abdruck der Pallas Athene zu einer wirklich gelungenen Büste mit rotem Schmollmund gebracht. Der Umstand, dass die letzte Preisträgerin jeweils die nächste Kandidatin vorschlägt, sorgte diesmal für Irritiationen. Nach Marissa Mayer von Google und Caterina Fake von Flickr wurde Martha Stewart von Omnimedia gekürt – der Blick auf deutsche Geschäftsfrauen ist versperrt. Die Preisträgerin wurde von einem kanadischen Modereporter packend interviewt. Die Bilder ihrer computerisierten Servietten-Stickmaschinen, die penible Auflistung all der Microsoft- und Adobe-Programme, die eine Martha Stewart benutzen darf, bis hin zum Geständnis, dass sie das Schlafzimmer von Bill Gates betreten und inspizieren durfte, war einfach nur peinlich.

Die platte Werbung eines uninspirierten, türkis-hellbraunen Lifestyle im 21. Jahrhundert wurde auf ihre Weise durch die amerikanische Weltraumforscherin Carolyn Porco vom CICLOPS-Projekt gerettet. Sie nahm das Konferenzthema wörtlich und stellte am Schluss des ersten Konferenztages in einem atemberaubenden Dia-Vortrag den Himmelskörper vor, zu dem der Upload der Menschheit erfolgen könnte: Geschäftsmodelle für die Eroberung des Titan waren gefragt, doch die DLD begnügte sich mit Werbung für die Community Hallohund. Für die einen ein Grund zum Wedeln, für die anderen bleibt Hoffnung, dass die Konferenz besser wird. Mit dem Genetiker Craig Venter und dem Religionskritiker Richard Dawkins etwa, die sich im weiteren Verlauf von "Digital Life Design" über die künftige Evolution des Menschen streiten wollen. (Detlef Borchers) / (jk)