Analyse: AMD immer wieder

Immer wieder totgesagt, aber jetzt sieht's trotz der Maleschen mit zu hohem Energieverbrauch beim Polaris-Chip gar nicht schlecht aus für AMD: Andreas Stiller über Aufstieg, Niedergang und Wiederaufstieg des einzig verbliebenen Intel-CPU-Konkurrenten.

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Kommentar:AMD, immer wieder

AMD Headquaters -- noch sind sie in Sunnyvale

Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Andreas Stiller
Inhaltsverzeichnis

Über Aufstieg und Niedergang, über Rise and Fall von AMD wurde ja immer wieder berichtet, natürlich auch von und bei heise online und c't. Und immer wieder tauchte dabei auch das Traumjahr 2000 auf. Das Jahr, in dem AMD den Athlon sehr erfolgreich vermarkten konnte, als man Milliardengewinne einfuhr, als man kurz zuvor – auf dem Microprocessor Forum 1999 – Intel mit dem Design des Hammer-Prozessors geradezu schockte, als die Aktie bei schwindelerregenden 43 Dollar thronte und die globale Mitarbeiterschar über 14.000 Köpfe betrug.

Davon ist man, oh shrek, nun weit, weit entfernt. Zwischendurch wurde AMD immer mal wieder für tot erklärt, oder es wurde spekuliert, dass die Firma verramscht oder aufgeteilt wird.

Aber immer wieder schaffte es AMD doch, sich zu berappeln. Noch vor einem Jahr lag der Aktienkurs auf dem gruseligen Allzeittief von 1,67 Dollar. Wer damals gekauft hat (ich Idiot leider nicht), ist jetzt fein raus, denn nun ist sie mehr als dreimal so viel Wert.

Schon ist von Overhype die Rede. Analyst Stacy Rasgon des renommierten Wall-Steet-Brokers Bernstein Research bremste daher letzte Woche und stufte das Rating herunter. Die kommende Quartalsbilanz, so orakelte er, könne schlechter ausfallen als erwartet.

Gebracht hat's an der Börse nichts. Da war das Powergate von AMDs neuer Grafikkarte Radeon RX480 schon etwas deutlicher im Kursverlauf sichtbar, wenn auch nur kurz. Mit ein paar Software-Tricks konnte AMD nachträglich die zuweilen zu stark belasteten Strompfade vom PCIe-Bus aufs Netzteil umlagern. Auch nur eine Notlösung, aber immerhin.

Aber warum hat AMD nicht vorher gesehen, dass hier die Spezifikationen nicht eingehalten werden? Wenn das allen Test-Sites sofort auffällt, warum nicht AMD? Oder wurde die Firma selbst etwa von einer höheren Stromaufnahme als erwartet überrascht?

Nun hat man ja für den neuen Polaris-Chip erstmals bei den GPUs den Hersteller gewechselt, weg von TSMC hin zum FinFet-14-nm-Herstellungsprozess von Globalfoundries. Von Globalfoundries? Nein, denn der Prozess selbst ist lizenziert von Samsung und umfasst die Prozessversionen LPE und LPP. LPE steht für Early To Market und LPP für Higher Performance/ Lower Power.

Wollen wir mal hoffen, dass Polaris nicht noch in der frühen Marktversion gefertigt wird. Inzwischen gehen Samsung und Globalfoundries ohnehin wieder eigene Wege. Samsung hat die nächsten Generationen des 14-nm-Prozesses am Laufen (LPH, Advanced, LPC), Globalfoundries bastelt am HP (SOI High Performance) und LPP+ (High Performance/Super Low Power).

Eine Analyse von Andreas Stiller

Andreas Stiller, bislang dienstältester Redakteur in der c't- und heise-online-Redaktion, beschäftigt sich mit Prozessoren, High Performance Computing, hardwarenaher Programmierung, HPC-Programmierung und spannenden wissenschaftlichen Themen wie Gravitationswellen, CERN etc. Auch im wohlverdienten Ruhestand, den er Ende 2017 angetreten hat, kann er natürlich von diesen Themen nicht lassen.

Welche Prozessvarianten nun genau für die nächsten wichtigen Chips Vega und insbesondere Zen geplant sind, weiß man nicht. Mit Zen sieht es derweil ansonsten gar nicht so schlecht aus, nicht bei den Desktop PCs und vor allem auch nicht bei den Servern, wo ein Konkurrent zu Intel dringend gesucht wird. Die Industrie ist hier durchaus bereit, AMD etwas Starthilfe zu geben. Denn niemand, bis auf eine Firma in Santa Clara, ist mit der Marktsituation hier glücklich.

So weiß ich von einem wichtigen Treffen, das im März in Grenoble stattfand. Wer sitzt da? Ja natürlich Hewlett Packard Enterprise. Da zeigte AMD die ersten Zen-Prototypen herum, schließlich muss man frühzeitig bedeutende Launch-Partner gewinnen. Ob es bereits die großen Naples-Server-MCMs mit bis zu 32 Kernen waren, konnte ich nicht in Erfahrung bringen. Aber unlängst auf der ISC'16 wurden diese hinter den Kulissen gezeigt und haben einen recht guten Eindruck hinterlassen.

Weitere große Partner könnte man in China finden, etwa die Firma Sugon, die größte HPC-Serverfirma in Asien. Die Kunde ist, dass Sugon ein Joint Venture mit AMD und einen richtig großen Supercomputer mit Zen plant. Noch ist es ein von Fudzilla.com in die Welt gesetztes Gerücht, aber wer weiß...

Okay, AVX512 wird AMDs Serverchip nicht haben, jedenfalls nicht in Hardware. Dafür hat er ein paar Kerne mehr und dürfte auch deutlich preiswerter sein, als die in Hochpreisregionen abgedrifteten Xeons. Und bis AVX512 wirklich breitflächig zum Einsatz kommt und dann vor allem auch effizient genutzt werden kann, werden ohnehin noch ein paar Jahre ins Land gehen. Bis dahin fließt noch viel Wasser den Colorado runter, AMD könnte nachlegen. Dass das Lizenzabkommen mit Intel die Nutzung von AVX512 ausschließt kann ich dem Vertrag von 2009 so nicht entnehmen, lautet es doch dort allgemein:

"Intel grants to AMD, for use in or with an AMD Licensed Product, licenses under Intel’s copyrights in any Processor instruction mnemonic for an instruction developed by AMD, and the related opcodes, instruction operand mnemonics, byte format depictions and short form description …"

Weitergabe und Sublizenzen sind allerdings nach diesem Vertrag nicht erlaubt, da muss man rätseln, was AMD an die chinesische Firma Tianjin Haiguang Advanced Technology Investment (THATIC) für recht ordentliche 293 Millionen Dollar lizenzieren darf. Es sollen ja Server-SoCs sein. Kooperationen mit chinesischen Firmen gibt’s derweil schon mehrere, etwa mit BLX, eine Firma, an der unter anderem die chinesische Akademie der Wissenschaften beteiligt ist.

BLX wurde schon mehrfach nachgesagt, an einem Kauf von AMD – ohne Grafik-Business – interessiert zu sein. Aber da sind die Hürden durch die US-Regierung, dem AMD-Großinvestor Mubadala Development aus Abu Dhabi, und nicht zuletzt auch von Vertragspartner Intel sehr hoch.

Aber warum aufspalten oder verkaufen, AMDs Perspektive ist derzeit doch gar nicht so schlecht. Im Semi-Custom-Bereich stehen die nächsten Generationen an, die 4K-Xbox mit Codenamen Scorpio und Sonys Playstation 4.5. Gut möglich, dass auch Nintendo NX noch hinzukommt.

Bei den Grafikkarten hatte AMD ab Mitte 2014 zwar kräftig Marktanteile verloren, aber nun steigen sie wieder langsam an, lagen laut statistica 2016 im letzten Quartal wieder bei 23 Prozent. Der neue Grafikchip Polaris litt jetzt zwar unter einigen Startschwierigkeiten, aber hier kann man auf neue Treiber und bessere Custom-Designs hoffen, unter anderem auch, um den Leerlaufverbrauch besser in den Griff zu bekommen.

Als alter Prozessor-Hase bin ich ja vor allem an Zen interessiert – Bulldozer fand ich von Anfang an reichlich verunglückt (sorry Chuck). Hier drücke ich AMD ganz kräftig die Daumen, dass das hinhaut, dass die Globalfoundries-Prozesse funktionieren und die Energieaufnahme im Rahmen bleibt, dass die vorgesehenen Termine eingehalten werden können und dass nicht ein blöder Bug, wie einst beim Barcelona, alles vermasselt. Ich will endlich mal wieder, und zwar noch bevor ich in Rente gehe, wie zu den besten Opteron-Zeiten einen wirklich spannenden Vergleichstest, ein Duell mit Intel Xeon auf Augenhöhe fahren können.

Ich war schon mehrfach auf dem Mount Hamilton beim Licks-Observatorium und hab die Sonne überm Silicon Valley untergehen sehen (ein Supertipp für alle Besucher dieser Region). Und ich weiß, dass in Sunnyvale immer, immer wieder die Sonne aufgeht. (as)