Analyse: Endlich offenes WLAN!

Die lang erwartete Änderung des Telemediengesetzes ist in Kraft getreten, die das Haftungsrisiko für die Betreiber offener WLANs entfallen lässt. Ein dicker Wermutstropfen bleibt allerdings.

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Hotspot

(Bild: dpa, Julian Stratenschulte)

Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Joerg Heidrich
Inhaltsverzeichnis

Mit der erneuten Reform einer bereits im Sommer 2016 beschlossenen Reform will der Gesetzgeber nun endlich das ermöglichen, was in nahezu allen anderen Ländern bereits Realität ist: Ein offenes WLAN zu betreiben, ohne sich vor teuren Abmahnungen fürchten zu müssen. Denn nur eine klare Rechtslage sei ein Garant dafür, dass "mobiles Internet über WLAN künftig für jeden und jede verfügbar sein" soll, findet das Bundeswirtschaftsministerium. Damit ließen sich auch gleich die "enormen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Potenziale von WLAN-Funknetzen ausschöpfen".

Eine Analyse von Joerg Heidrich

Joerg Heidrich ist Justiziar und Datenschutzbeauftragter bei Heise Medien und gehört als Rechtsanwalt und Fachanwalt für IT-Recht selbst zu der berechtigterweise aussterbenden Gattung der Nutzer von Faxgeräten.

Nachdem sich 2016 das "2. Gesetz zur Änderung des Telemediengesetzes (TMG)" des damaligen Bundeswirtschaftsministers Sigmar Gabriel (SPD) als regelrechter Rohrkrepierer erwiesen hat, ist das mit der Verkündung im Bundesgesetzblatt am heutigen Freitag in Kraft getretene "3. Gesetz zur Änderung des Telemediengesetzes TMG" weitaus wirksamer. Tatsächlich können damit ab sofort sowohl Unternehmen als auch gastronomische Einrichtungen oder Privatpersonen ihre Netze öffnen, ohne befürchten zu müssen, für Gesetzesverstöße ihrer Nutzer in Anspruch genommen zu werden.

Kerninhalt der Gesetzesänderung ist eine Abschaffung der heftig kritisierten Störerhaftung für die Anbieter von Internetzugängen. Dabei handelte es sich um reines Richterrecht, welches vorsah, dass zum Beispiel die Anbieter eines offenen WLAN für das Fehlverhalten ihrer Nutzer haftbar gemacht werden können. Aus dieser Regelung resultierten über die vergangenen Jahre hunderttausende von Abmahnungen vor allem für die Nutzung von Filesharing-Software über freie Netze.

Die Neuregelung sieht in Paragraf 8 nunmehr vor, dass Internetanbieter

"nicht wegen einer rechtswidrigen Handlung eines Nutzers auf Schadenersatz oder Beseitigung oder Unterlassung einer Rechtsverletzung in Anspruch genommen werden; dasselbe gilt hinsichtlich aller Kosten für die Geltendmachung und Durchsetzung dieser Ansprüche".

Dies dürfte tatsächlich den bisher üblichen urheberrechtlichen Massenabmahnungen die Grundlage entziehen, auf denen Rechteinhaber und Abmahnanwälte über Jahre ein goldenes Geschäftsmodell aufgebaut haben. So verweist auch das Wirtschaftsministerium darauf, dass nunmehr "keine mit der Störerhaftung in Zusammenhang stehenden Kosten, insbesondere Abmahnkosten", geltend gemacht werden können.

Eine Ausnahme sieht das Gesetz unter anderem in den Fällen vor, in denen der WLAN-Betreiber absichtlich mit einem Nutzer seines Dienstes zusammenarbeitet, "um rechtswidrige Handlungen zu begehen".

Erfreulicherweise sind alle Vorschläge zu einer Beschränkung der freien Zugänge in dem neuen Gesetz vom Tisch. Insbesondere müssen die Anbieter nicht für Beschränkungen irgendwelcher Art, für Registrierung, Vorschaltseiten oder Verschlüsselung sorgen. Zielrichtung ist vielmehr, "Verbraucherinnen und Verbraucher möglichst überall mobil und unkompliziert ins Internet" kommen zu lassen.

Im Gegenteil legt das Gesetz weiter fest, dass ein WLAN-Anbieter nicht von einer Behörde verpflichtet werden kann, die User zu registrieren oder die Eingabe eines Passworts zu verlangen. Auch das dauerhafte Einstellen des Angebots kann von Seiten der Behörden nicht verlangt werden. Dies bedeutet aber nicht, dass ein Anbieter diese Maßnahmen nicht freiwillig ergreifen kann, sofern er dies für notwendig erachtet.

Obwohl das neue Gesetz eindeutig den Betrieb offener WLAN fördert und erstmals rechtlich weitgehend risikolos ermöglicht, soll doch auch das "Recht am geistigen Eigentum" mit seinem "hohen Wert sowohl in Deutschland als auch in Europa" gewahrt werden. So ganz ungeschützt sollen die Interessen der Rechteinhaber dann doch nicht sein.

Um auch deren Interessen zu berücksichtigen, sieht die Neuregelung des TMG die Einführung von Netzsperren vor. Damit wären diese höchst umstrittenen Maßnahmen zum ersten Mal in einem Gesetz festgelegt. Konkret sieht der neue Paragraf 7 TMG vor, bei Verletzungen des "Rechts am geistigen Eigentum" könne der Rechteinhaber von dem WLAN-Anbieter "die Sperrung der Nutzung von Informationen verlangen, um die Wiederholung der Rechtsverletzung zu verhindern".

Diese Sperrung muss allerdings "zumutbar und verhältnismäßig" sein. Ein Anspruch auf Erstattung von vor- und außergerichtlichen Kosten für eine derartige Rechtsdurchsetzung besteht nicht. Anders kann es allerdings mit den Kosten für Gerichtsverhandlungen aussehen, sofern es dazu kommt.

Konkret bedeutet dies, dass ein Rechteinhaber einen WLAN-Betreiber zwar nicht mehr kostenpflichtig abmahnen lassen kann. Er kann von ihm aber Sperren verlangen, sofern der Anbieter bereits einmal dementsprechend aufgefallen ist.

Die FAQ des Wirtschaftsministeriums führt als Voraussetzung dafür zunächst an, dass das WLAN gezielt benutzt wurde, um eine Urheberrechtsverletzung zu begehen. Hierfür müsse eine Wiederholungsgefahr bestehen. Eine Nutzungssperre durch den WLAN-Betreiber dürfe nur das "letzte Mittel" sein. Es darf also keine andere Möglichkeit geben, etwa in Form eines Vorgehens gegen den Hoster oder den eigentlichen Täter.

Schließlich muss die Sperre im konkreten Einzelfall zumutbar und verhältnismäßig sein, wobei auch zu beachten ist, dass sie nicht zu "Overblocking" führt und damit über ihr Ziel hinausschießt.

Die FAQ des BMWi schlägt hierfür eine Blacklist vor, auf der die Seite eintragen werden solle, deren Zugang unterbunden werden soll – und bietet sogar eine Anleitung dazu. Nach der Gesetzesbegründung können für die Netzsperren auch verschiedene andere Maßnahmen in Betracht kommen. Eine Möglichkeit wäre etwa, bestimmte Ports am Router zu sperren, um den Zugang zu Peer-to-Peer Netzwerken zu verhindern. Die jeweils konkret angewandte Maßnahme müsse dazu dienen, eine Wiederholung der Rechtsverletzung zu verhindern.

Ja! Das gilt uneingeschränkt für alle WLAN-Anbieter, die ihr Netz im eigenen gewerblichen Umfeld öffnen möchte, also etwa für Cafés, Geschäfte, Wartebereiche oder auch die Verwaltung. Auch Unternehmen, die ihren Mitarbeiter einen mobilen Zugang anbieten wollen, können dies künftig weitgehend risikolos tun.

Auch wer seinen privaten Zugang nunmehr der Öffentlichkeit zur Verfügung stellen will, hat rechtlich zukünftig gute Karten. Andererseits stellt das "3. Gesetz zur Änderung des Telemediengesetzes (TMG)" keinesfalls einen Freibrief zur Verletzung von Urheberrechten aus. Insoweit ist kaum damit zu rechnen, dass die Gerichte auch solche Fälle haftungsrechtlich privilegieren werden, in denen ein WLAN allein durch den Betreiber oder seine Familie zu rechtswidrigen Downloads genutzt werden. (vbr)