Andalusien: Ultrarechte feiern Erfolg

Anadalusisches Parlament

(Bild: Junta Informa/CC BY-SA-2.0 )

In der für ganz Spanien richtungsweisenden Wahl bekamen die drei Rechtsparteien praktisch eine absolute Stimmenmehrheit

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Dass in Spanien die Wahlumfragen "mit besonderer Vorsicht genossen werden müssen", hatte Telepolis vor den Regionalwahlen am Sonntag im südspanischen Andalusien erneut unterstrichen. Tatsächlich lagen die Umfragen wieder völlig daneben.

Statt, wie vorhergesagt, mit knapp 5 Prozent und mit etwa drei Parlamentariern zieht die ultrarechte Partei VOX mit 11 Prozent und 12 Sitzen erstmals in ein Regionalparlament ein. Im besten Fall hatte eine Umfrage den Ultras für die bevölkerungsreichste Region knapp 7% prophezeit.

Weil das Ergebnis der Ultrarechten unterschätzt wurde, reibt sich die Linke in Andalusien erstaunt die Augen. So hatte der linke Podemos-Europaparlamentarier Miguel Urbán praktisch ausgeschlossen, dass es in Andalusien eine Rechtsregierung geben könnte: "Das Szenario gibt keine Umfrage her", hatte er im Telepolis-Gespräch erklärt.

Weit gefehlt. Die rechte Volkspartei (PP) und ihre beiden Abspaltungen Ciudadanos (Bürger/Cs) und VOX kommen gemeinsam nicht nur auf eine Sitzmehrheit, sondern haben mit 49,99% fast eine absolute Stimmenmehrheit.

Nicht einmal eine Neuauflage des bisherigen Bündnisses aus Sozialdemokraten (PSOE) und den neoliberalen rechten Cs ist nun mehr möglich. Dieses Bündnis verfehlt eine absolute Sitzmehrheit mit 54 Sitzen um einen Sitz knapp und das hatten die Cs schon aufgekündigt, weshalb die Wahlen vorgezogen wurden.

Der Cs-Chef Albert Rivera schloss eine Neuauflage kategorisch schon in der Wahlnacht aus. "Wir werden die PSOE aus der Regierung vertreiben", erklärte Rivera und machte damit deutlich, dass er kein Problem damit hat, dafür auf die Stimmen der ultrarechten VOX zurückzugreifen. Zwar konnten die rechten Cs ihr Ergebnis auf 18% praktisch verdoppeln, doch sie verfehlten ihr Ziel, die PP als zweitstärkste Partei abzulösen.

Die PSOE-Kandidatin Susana Díaz hat erneut ein historisches Negativergebnis eingefahren. Nach damals schon schwachen 35% vor drei Jahren brach die rechte Sozialdemokratin auf nur noch auf 28,4% ein. Nach 40 Jahren werden die Sozialdemokraten erstmals ihre bisherige Hochburg nicht mehr regieren.

Eine von der Linkskoalition "Adelante Andalucía" (Vorwärts Andalusien/AA) tolerierte PSOE-Regierung ist ebenfalls nicht möglich. Die Koalition aus Podemos (Wir können es) und der Vereinten Linken (IU) blieb hinter den Prognosen zurück. Statt mindestens die 20 Sitze zu halten, die Podemos und IU 2015 noch getrennt erreichten, fiel das Bündnis mit 17 Sitzen auf den vierten Rang in der Parteienlandschaft zurück.

Statt prognostizierten 19,5% kam AA nur auf 16,2%. Klar ist, dass in der früheren IU-Hochburg Andalusien viele das Aufgehen der traditionellen Linkspartei in Podemos weiterhin nicht goutieren. Viele IU-Wähler dürften erneut schlicht zu Hause geblieben sein. Damit wiederholt sich der Vorgang, der im zweiten Wahlgang der spanischen Parlamentswahlen 2016 schon zu sehen war.

Vor allem ist die niedrige Wahlbeteiligung von nur noch 58,6% ist für den Absturz der Parteien links von der Mitte verantwortlich, die ihre Wähler nicht für ihre Projekte mobilisieren konnten. Sie lag noch einmal vier Prozentpunkte unter der geringen Beteiligung im Jahr 2015. Das stützt in Spanien stets die Rechtsparteien, die über eine stabile Wählerschaft verfügen.

Klar ist, dass die Regierungsbildung enorm schwierig wird, denn die Regionalchefs der drei Rechtsparteien wollen nun Regierungschef werden. Der PP-Führer Juan Manuel Moreno will es werden, weil seine PP erneut zweitstärkste Partei wurde. Er kam aber nur noch auf 21% und musste erneut 6 Prozentpunkte an die rechte Konkurrenz von VOX und Cs abgeben. Letztere wollen den Präsidenten stellen, da sie ihren Stimmenanteil auf 18,3% verdoppeln konnten.

Aber auch der VOX-Chef Santiago Abascal will es werden, weil die Partei von 0,2% auf 11% den größten Zuwachs verzeichnet hat. "Die Andalusier haben Geschichte geschrieben", tönt das ehemalige PP-Mitglied Abascal. "Meine warme und herzliche Gratulation für die Freunde von VOX", schrieb Marine Le Pen ihrem Kumpel Abascal per Twitter.

Dass nun erstmals mit VOX eine "ultrarechte Partei" oder "rechtspopulistische Partei" in ein spanisches Parlament eingezogen ist, wie meist in deutschsprachigen Medien kommentiert wird, ist falsch. Beide Attribute treffen sowohl auf die Mutterpartei PP wie auch auf beide Abspaltungen Cs und VOX zu, die sich am starken rechten Rand in Spanien tummeln.

Zu erinnern ist daran, dass die PP von Ministern der Franco-Diktatur gegründet wurde und sich bis heute nicht vom Putsch 1936 und der Diktatur distanziert hat. Mit der PP ist auch Cs gegen eine Exhumierung der sterblichen Reste Francos und gegen eine Aufarbeitung der Diktatur und eine Rehabilitation der Opfer. VOX ist im ultranationalistischen Diskurs nur noch radikaler, will eine neue "Rückeroberung" Spaniens durchführen und die Autonomien komplett abschaffen.

Insofern ist es absurd, wenn der Podemos-Chef Pablo Iglesias erst jetzt eine "antifaschistische Warnung" ausspricht. Er meint, nun müssten sich die linken Parteien mobilisieren, um "Freiheit, soziale Gerechtigkeit, Brüderlichkeit und letztlich die Demokratie" zu verteidigen.

Dass die PP und Cs mit VOX und anderen faschistoiden oder faschistischen Organisationen in der selbsternannten "Katalanischen Zivilgesellschaft" agieren, die immer wieder mit Faschisten gemeinsam in Katalonien auftritt, wo auch immer wieder Pressevertreter gewalttätig angegriffen werden, ist wahrlich kein Geheimnis mehr.

Peinlich ist, dass auch Sozialdemokraten wie der spanische Außenminister in diesem Bündnis mitmischen und damit faschistische Positionen hoffähig gemachthaben. Es zeigt sich, dass die Ultrarechte von der nationalistischen Mobilisierung gegen die Katalanen besonders profitiert hat, die in Andalusien auch von der PSOE und Andalusien als Neiddebatte massiv betrieben wurde.

So waren die Unabhängigkeitsbestrebungen Kataloniens der zentrale Inhalt der Wahlen in Andalusien und die Frage bestimmte auch die Diskurse nach der Wahl. Die andalusische PSOE-Chefin Díaz ist praktisch politisch am Ende. Die Frau, die sich bisher angesichts noch annehmbarer Wahlergebnisse als Retterin der Sozialdemokratie aufgespielt hatte, droht den spanischen Regierungschef Pedro Sánchez mit in den Abgrund zu reißen.

Der hatte sich bei der Urwahl noch gegen sie durchsetzen und den "Putsch" abwehren können, den die andalusische Regionalfürstin gegen ihn angeführt hatte.

Angesichts dieser fatalen Ergebnisse kann prognostiziert werden, dass Sánchez wohl keine vorgezogenen Neuwahlen im Frühjahr ansetzt, obwohl er seinen Haushalt nicht durchbekommt. Er wird nun den Haushalt der PP verlängern und so lange wie möglich versuchen, Zeit zu gewinnen, um mit besseren Vorzeichen in Parlamentswahlen zu gehen.

Zu erwarten ist, dass er seinen Kurs gegenüber Katalonien angesichts des Wahlsiegs der Ultras weiter verschärft. Die zaghaften Gesten und der Dialog, den er ohnehin nach einer ersten Kontaktaufnahme schon wieder auf Eis gelegt hatte, sind mit den Wahlen in Andalusien wohl beendet.