Anfang vom Ende: Aus für UKW-Sender des Schweizer Radios SRG SSR
Die gesamte Radiobranche in der Schweiz stellt bis spätestens Ende 2026 ihre UKW-Sender ab. Den Anfang machen die wichtigsten öffentlich-rechtlichen Sender.
Aus und Vorbei: Für die Radioanbieter der Schweiz geht ein Stück Technikgeschichte zu Ende – die Ausstrahlung ihrer Programme via Ultrakurzwelle (UKW) wird eingestellt. Mit der sukzessiven Abschaltung der UKW-Sendeanlagen starten am morgigen Dienstag die wichtigsten Radiostationen der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft (SRG SSR), bis Ende 2026 sollen in der gesamten Schweiz alle UKW-Radioprogramme der Vergangenheit angehören.
SRG SSR wird analog zu öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten durch allgemeine Medienabgaben finanziert, ist formal jedoch als privater Verein organisiert. Ein nach eigenen Angaben international in der Medienwelt einzigartiges Konstrukt. SGR SSR hat insgesamt 17 Radioprogramme, 11 Hauptprogramme der jeweiligen insgesamt vier Sprachregionen werden auf UKW nun abgeschaltet – so etwa in der Deutschschweiz SRF 1, SRF 2 Kultur und SRF 3. In der Romandie sind dies RTS Première oder RTS Espace 2 und weitere Programme.
Sämtliche UKW-Programme migrieren in die digitale Welt, in der alle Programmangebote der SRG SSR bereits seit längerem verfügbar sind. Im Vordergrund steht dabei DAB+ (Digital Audio Broadcast Plus). Aber auch via Internet oder auf DVB-C (Digital Video Broadcasting Cable) respektive auf DAB+ Cable, das von UPC bzw. Sunrise in seinem Kabelnetz eingesetzt wird, sowie per Satellit (DVB-S) lassen sich die Radioprogramme der SRG und eine Vielzahl nationaler und internationaler Programme digital empfangen.
Langer Weg
Bereits vor mehr als zehn Jahren startete eine enge Zusammenarbeit zwischen dem für die Konzessionsvergabe zuständigen Bundesamt für Kommunikation (Bakom), Privatradios und der SRG SSR bezüglich der Planung der Migration von UKW auf DAB+. Die Arbeitsgruppe Digitale Migration (AG DigiMig) wurde gebildet, um den Umstieg von analogem auf digitales Radio vorzubereiten.
Der aber brachte auch etwas Hin und Her mit sich. Ursprünglich wollten die Radiostationen die UKW-Verbreitung schrittweise von 2020 bis 2024 aufgeben. Dies war dann in der gesamtschweizerischen Radiobranche doch nicht mehr konsensfähig. Druck auf den Bund kam dann auch durch eine Petition "Rettet UKW“, die der Unternehmer und einstige "Radiopirat" Roger Schawinski lancierte. Sie wurde von über 60.000 Menschen unterschrieben, die sich gegen die Abschaltung der UKW-Sender wenden. Im Herbst 2023 schließlich entschied die Schweizer Regierung, der Bundesrat, die 2024 auslaufenden UKW-Funkkonzessionen noch einmal um zwei Jahre zu verlängern. Damit erhielt die Radiobranche die gewünschte Flexibilität, um den Migrationsprozess erfolgreich abzuschließen, so das Bakom damals.
Eines der Argumente der SRG SSR für die Abschaltung ist, für eine schweizweite Versorgung dann nur noch die 226 DAB+ Antennen zu brauchen, während bis dahin zusätzlich 856 UKW-Sendeanlagen die Programme ausstrahlen. Mit der Umstellung auf DAB+ spart die SRG SSR – ohnehin unter Spardruck - gemäß eigenen Angaben rund 15 Millionen Franken pro Jahr (16 Mio. Euro). Und für eine relativ geringe Zahl an Nutzern alleinigen UKW-Empfangs, erachtet die Arbeitsgruppe DigiMig den Unterhalt von UKW-Antennen als zu teuer und unverhältnismäßig. Laut der SRG habe sich nämlich die damalige Prognose der AG DigiMig, dass DAB+ zum neuen Radiostandard wird, bestätigt: die verbleibende reine UKW-Nutzung stagniere bei rund 8 Prozent. Anteilsmäßig wird UKW mit 33 Prozent im Auto noch am häufigsten genutzt, doch auch hier überwiegt mittlerweile die digitale Nutzung. 31 Prozent der Nutzer hören Radio via UKW und Digitalverbreitung. Gar kein Radio nutzen 12 Prozent.
Seit 2015 ist die digitale Radionutzung stetig gewachsen, schreibt das Bakom: die Radionutzung via Internet (IP) hat von 26 Prozent in 2015 auf 39 Prozent in 2023 zugenommen, die Nutzung via DAB+ hat sich in dieser Zeit fast verdoppelt (2015: 23 Prozent, 2023: 41 Prozent). In der Deutschschweiz ist DAB+ mit 43 Prozent der am häufigsten genutzte Empfangsweg, in der französischsprachigen Schweiz liegt IP mit 41 Prozent vorne.
Wie die SRG SSR betont, komme die UKW-Abschaltung auch der Energiebilanz zugute. Denn durch den Wegfall der UKW-Signalverbreitung könnten „pro Jahr mehrere Gigawattstunden Strom gespart werden. Auch die graue Energie – zum Beispiel für die Erneuerung und den Unterhalt von Antennen – lässt sich deutlich reduzieren“, schreibt SRG SSR. Auch verursache DAB+ deutlich weniger Elektrosmog als UKW.
Privatradios senden länger
Freilich müssen Radioveranstalter nicht bis Ende 2026 warten, sondern können die analoge Radioverbreitung auch früher einstellen. Und seit 2020 besteht ohnehin keine Verpflichtung mehr, Radioprogramme via UKW zu senden. Das weiter offene Zeitfenster wollen aber noch die 25 Privatradiostationen der Verbände VSP (Verband Schweizer Privatradios) und RRR (Romandie) nutzen.
Bei ihnen wird einen bis Ende 2026 gestreckten allmählichen „Fadeout-Prozess“ geben, so Nicola Bomio, Präsident des VSP. In einem Interview mit dem MarKo- und Medienmagazin „persönlich“ erklärte er, dass die Abschaltung ein Entscheid sei, „den jedes Unternehmen und jedes Mitglied unseres Verbands für sich treffen kann. So wollen einige laut Bomio bis Ende 2026 auf UKW weitersenden. Generell wertet der Verbandspräsident das Vorgehen als "mutigen und wichtigen Schritt", wie er der Nachrichtenagentur Keystone-SDA im Sommer 2024 mitteilte. Die Abschaltung wird "die Leute dazu bewegen, die Geräte zu erneuern“, so der Präsident des VSP,
Vor allem die Nachfrage nach Adaptern um bestehende Autoradios DAB+ empfangsfähig zu machen, explodierten nach Auskunft von Onlinehändler Digitec Galaxus mit einem Verkaufsanstieg von bis zu 2100 Prozent im Oktober 24 förmlich. Bei weiterhin hoher Nachfrage seien die Geräte laut Galaxus kaum noch erhältlich, während die klassischen DAB+ Radios mit bis zu 270 Prozent Wachstum im Vergleich zu den Adaptern bescheidener, aber trotzdem stark zulegen. Immerhin sollen laut dem Bundesamt für Strassen auch bald alle Tunnel des Nationalstrassennetzes für den Digitalradio-Empfang ausgebaut sein.
Auch in Deutschland gibt es Pläne für den Abschied vom analogen terrestrischen Radioempfang. Schleswig-Holstein will als erstes Bundesland ab Mitte 2025 die UKW-Frequenzen abschalten.
Update 30.12.24, 19:40 Uhr: Absatz zu den Radioprogrammen des SRG SSR um die Angabe der Gesamtzahl ergänzt. (nij)