Animation, Performance, Innovation: Die Unreal Engine 5.4 im Detail​

Die Unreal Engine 5.4 bringt erstmals echte Filmqualität in die Animation und bohrt "Nanite" gehörig auf: Den Auftakt macht jedoch nicht Tim Sweeney.​

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Spielszene: Ein Mann schreit und deutet mit dem Finger auf ewas außerhalb des Bildfeldes

Die hier in Echtzeit berechnete gezeigte Szene aus dem für 2025 angekündigtem Spiel "1943: Rise of Hydra" lässt erahnen, dass wir Film und Spiel bald nicht mehr unterscheiden können werden.

(Bild: Unreal Engine/Screenshot)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Nicolas Kopp
Inhaltsverzeichnis

Als Kim Libreri, seines Zeichens CTO von Epic Games, der die diesjährige "State of Unreal"-Präsentation eröffnet, greift er der Verwunderung des Publikums direkt vorweg: "Normalerweise würde Tim Sweeney hier stehen, wie in all den Jahren zuvor. Doch der ist gerade in Australien und kämpft für die gute Sache, um den Markt auf faire Art und Weise für alle Plattformen zu eröffnen." Eine nette PR-Umschreibung für: Epic Games verklagt gerade Google und Apple.

Doch darum soll es heute nicht gehen, sondern um die Ankündigung der Unreal Engine 5.4 und die damit einhergehenden Neuerungen. Die "State of Unreal"-Präsentation weiß nicht nur durch zahlreiche technische Innovationen, sondern auch durch die Einbindung führender Köpfe der Industrie durchaus zu beeindrucken.

Von Beginn an macht die Veranstaltung deutlich, dass Epic Games mit der Unreal Engine 5.4 nicht nur die technischen Grenzen verschiebt, sondern auch eine engere Verbindung zwischen der Welt des Films und interaktiven Medien anstrebt. Der Sieg des mit Hilfe der Unreal Engine erstellten Kurzfilms "War is Over" bei den diesjährigen Oscars unterstreicht das Potenzial der Engine, über die reine Spieleentwicklung hinaus.

Amy Hennig, bekannt durch die "Uncharted" Serie, nutzt die Gelegenheit auf der Bühne, um das Publikum tiefer in die Welt von "1943: Rise of Hydra" einzuführen, einem storygetriebenen Spiel aus dem Marvel-Universum. Sie enthüllt, dass Spieler die Möglichkeit haben werden, einige der bekannten Figuren aus dem Marvel-Universum zu steuern, was zweifellos die Begeisterung der Fans weiter anfachte.

Sie stellt klar, dass die gezeigte Grafik und die Szenen des zuvor gezeigten Trailers nicht vorberechnet, sondern in Echtzeit berechnet werden. Diese Präzisierung unterstreicht die beeindruckende Leistungsfähigkeit der Engine und ihre Fähigkeit, kinoreife Visualisierungen in Echtzeit zu erzeugen. Für die Entwickler und Spieler bedeutet dies, dass die Grenzen zwischen Spiel und Film immer mehr verschwimmen; Unreal hebt die immersive Erfahrung von Storytelling in Videospielen auf ein neues Niveau.

Die Unreal Engine 5.4 bringt eine Reihe von Verbesserungen unter der Haube, die das Leben der Spieleentwickler einfacher gestalten. Besonders hervorzuheben ist die Weiterentwicklung des PCG (Procedural Content Generation) Frameworks, welches vom letztjährig experimentellen zu einem Beta-Status übergegangen ist und erweiterte Möglichkeiten zur Erstellung prozedural generierter Welten bietet.

Ein weiteres Highlight ist das "Adaptive Tessellation"-Feature, welches die Darstellung komplexer Oberflächen und Texturen revolutioniert. Diese Technik demonstriert eindrucksvoll die Fähigkeit der Engine, hochdetaillierte, dynamische Umgebungen zu schaffen, die für Realismus und Immersion in Spielen sorgen.

Adaptive Tessellation in der Unreal Engine 5.4 (2 Bilder)

Mit Adaptive Tessellation: Nur mit Shadern wurde dieser an sich flachen Textur echtes Leben eingehaucht. Die sichtbare Geometrie ist sodann tatsächlich vorhanden und reagiert auf Licht, Effekte und Objekte. (Bild: Unreal Engine / Epic Games)

Simon Tourangeau, Vice President of Engineering bei Epic Games, stellt beachtliche Performance-Verbesserungen vor, darunter eine erhebliche Beschleunigung der Kompilierungszeiten in C++. Auch harte Zahlen nennt er: Demnach soll das Kompilieren insbesondere komplexer Projekte 2-3x schneller vonstattengehen, während die Rendering-Zeit um 25 bis 50 Prozent herabgesetzt werden konnte.

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Nicht ohne Augenzwinkern fügt Tourangeau hinzu: "Außerdem haben wir hinbekommen, dass Ihr beim Start der Engine nicht mehr so viele Shader kompilieren müsst." Das war durchaus ein wiederkehrendes Ärgernis. Öffnete man frühere Unreal Editors, konnte man erstmal in Ruhe frühstücken gehen. Nicht immer – aber doch immer noch zu häufig.

Die wohl aufsehenerregendste Innovation in der Unreal Engine 5.4 betrifft das weite Feld der Animation. Epic Games hat das "Motion Matching"-System vorgestellt, welches nun vollständig produktionsbereit ist. Dieses System revolutioniert, wie Animationen in Spielen und anderen interaktiven Medien erstellt und implementiert werden, indem es automatisch den passendsten nächsten Frame aus einer vorbefüllten Datenbank an Animationsschritten auswählt. Dieses Verfahren verspricht eine deutliche Steigerung der Effizienz in der Spieleentwicklung, da sie die Notwendigkeit handgefertigter Zustandsmaschinen eliminiert und für fließende, natürliche Bewegungsabläufe sorgt.

Anhand einer Datenbank mit vorgerenderten Bewegungen wird in Echtzeit nicht wie früher eine vorgefertigte Animation abgespielt, sondern der zur Bewegung passende nächste Frame abgerufen. Das ist in Bewegung beeindruckend.

(Bild: Unreal Engine / Epic Games)

Eine Demonstration, die an die dynamische Parkour-Aktion von "Mirror's Edge" erinnert, zeigt die beeindruckenden Möglichkeiten dieses neuen Animationssystems. Die Szene offenbart, wie nahtlos und lebensecht die Bewegungen der Charaktere sind; eine Verbesserung, die zuvor nur durch intensive manuelle Arbeit oder gar nicht möglich war. Zusätzlich zu diesen Fortschritten bietet die Engine umfangreiche Debugging-Tools und ein Demo-Projekt mit über 500 AAA-Animationen, die kostenlos zur Verfügung stehen.

Ein weiterer bedeutender Meilenstein ist die vollständige Animation oder Rigging am Beispiel von "Lego Fortnite" ausschließlich in der Unreal Engine, erstmalig vollständig ohne den Einsatz externer Werkzeuge. Diese Innovation demonstriert das Potenzial der Engine, den gesamten Animationsprozess zu vereinfachen und zu beschleunigen, indem sie direktes Feedback und Anpassungen im Kontext der finalen Pixel ermöglicht.

Auch das sogenannte "Rigging", bei dem ein Spielweltmodell mit "Knochen" versehen werden kann, ist modularisiert und stark vereinfacht. Es erinnert nun fast an einen Duplo-Baukasten, weniger an einen nervenzermürbenden Prozess. Feinjustierungen sind nach wie vor möglich.

(Bild: Unreal Engine / Epic Games)

Zum Abschluss der Veranstaltung gibt Epic Games bekannt, dass die Preview 1 der Unreal Engine 5.4 ab sofort kostenlos zum Download zur Verfügung steht. Die neue Version der Engine ist nicht nur ein technisches Kraftpaket, sondern auch ein Zeichen für die zunehmende Verschmelzung von Spieleentwicklung und narrativer Kunst.

Die Zukunft digitaler Inhalte gestaltet sich zunehmend vielversprechend. Wir dürfen gespannt sein, was selbst kleinere Studios mit immer mächtigeren Werkzeugen erschaffen.

(ds)