Annäherungen im Kampf um die "digitale Dividende"

Ein RTL-Vertreter hat sofortige Gesprächsbereitschaft im Streit zwischen Rundfunkanbietern und Mobilfunkbetreibern um die Nutzung von freiwerdenden Frequenzen im Zuge der Rundfunk-Digitalisierung etwa für mobiles Breitband-Internet signalisiert.

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Im Streit um die Aufteilung der "digitalen Dividende" haben Vertreter von Rundfunkanbietern und Mobilfunkbetreibern am heutigen Montag auf dem Kongress der Medienwoche Berlin-Brandenburg Gesprächsbereitschaft signalisiert. "Wir müssen eine Form finden, in der sich Telekommunikationsunternehmen, Politik und Rundfunkveranstalter verständigen", sagte Tobias Schmid, Leiter der Abteilung Medienpolitik bei RTL, im Hinblick auf die künftige Nutzung der durch die Digitalisierung des Rundfunks freiwerdenden Frequenzen. Mit Gesprächen etwa an einem Runden Tisch "könnten wir morgen anfangen". Es fehle nur noch ein "neutraler Mittler", für dessen Position sich weder die Bundesnetzagentur noch die Landesmedienanstalten wirklich eignen würden.

Mobilfunkbetreiber wie Vodafone drängen verstärkt darauf, einen Teil des sich öffnenden Rundfunkspektrums für die Schließung "weißer Flecken" bei der Breitbandversorgung auf dem Land über mobile Übertragungstechniken wie Wimax zu nutzen. Auch die EU-Kommission verlangt Schritte in diese Richtung. Eine gewisse Eile wollte Schmid bei diesem Thema nicht leugnen, da die Unterversorgung mit schnellem Internet im ländlichen Raum ein gravierendes Problem darstelle. Zudem wäre es schade, dass "rumliegende" Ressourcen nicht genutzt würden. Noch sei aber schwierig einzuschätzen, was der Rundfunk selbst für seine Entwicklung etwa beim weiteren Ausbau von digitalem terrestrischen Fernsehen über DVB-T brauche. Die Privatsender hinken hier zwar hinter den Öffentlich-Rechtlichen hinterher, prinzipiell wollen sie den Flächenausbau aber in Ballungsräumen vorantreiben.

Schmid erklärte daher: "Wir müssen uns an den Realitäten entlang hangeln, welchen Bedarf gibt es beim Rundfunk und welchen bei den Mobilfunkbetreibern." Einer rein ökonomischen Bewertung dürfe der Rundfunk aber keinesfalls unterliegen, zumindest nicht bei der Aufrechterhaltung des sonst eher von ARD und ZDF für sich in Anspruch genommenen Auftrags der Grundversorgung und des bestehenden dichten Regulierungsgeflechts mit zahlreichen Auflagen etwa zum Jugendschutz. Es müsse weiter möglich sein, ein "pluralistisches, unabhängiges Angebot" zu unterbreiten. Da dürfe es nicht um die Frage gehen, welche anderen "sinnvollen" Dienste über das Spektrum sonst noch zu verbreiten wären.

Auch Nawid Goudarzi vom rbb erhob den Anspruch, über ausreichende Frequenzen für die flächendeckende DVB-T-Versorgung verfügen zu können. Andererseits seien aber auch die Rundfunkanbieter daran interessiert, dass ein Zugriff auf ihr Programm über das Internet bestehe und dass dazu die vorhandenen Lücken bei der Breitbandversorgung geschlossen würden. Harald Geywitz von E-Plus signalisierte in diesem Sinne die Bereitschaft, in die Entwicklung von Wimax-Infrastrukturen investieren zu wollen. Die Nachfrage nach breitbandigen Nutzungen und mobilen Datendiensten steige jedenfalls. Zudem leiste eventuell auch das Internet einen "klitzekleinen Beitrag" zur Stärkung der Meinungsfreiheit. Über Details wie die konkret zu nutzenden Frequenzbänder müsse man noch reden.

Clemens Appel von der Staatskanzlei Brandenburg verwies auf ein konkretes Pilotprojekt in Wittstock mit der Medienanstalt Berlin-Brandenburg (mabb) für mobiles Breitbandinternet über bestehende, bislang generell nicht gebrauchte Rundfunkfrequenzen. "Wir wollen am 1. Dezember für ein Jahr starten", erläuterte der Politiker. Dabei solle etwa geklärt werden, ob es Störungen von anderen technischen Diensten gebe. Los gehen werde es mit 60 Abnehmern, "landen" wolle man bei 100.

Der Chef der Bundesnetzagentur, Matthias Kurth, plädierte für ein "Kompromiss-Szenario". Er zeigte sich optimistisch, dass zum einen neben der eigentlichen digitalen Dividende die Bundeswehr bis 2012 bislang die hauptsächlich von ihr beanspruchten Kanäle 61 bis 69 räumen würde. Zudem gebe es im Frequenzspektrum noch völlig brachliegende "White Spaces" in bestimmten Regionen, die etwa automatisch von intelligenten Endgeräten genutzt werden könnten. Von einer Schwarzweißmalerei, dass Mobilfunker nur den großen Reibach mit Datendiensten suchten und die andere Seite die Kultur verteidigen wolle, hielt Kurth wenig. Notfalls könne man die Netzbetreiber aber auch beim Wort nehmen und sie in einer ersten Runde nur direkt in den weißen Flecken zum Zug kommen lassen. Die von Brüssel anfangs gepflegte Euphorie, dass man freiwerdende Frequenzen gar versteigern könne, teilte der Regulierungsexperte nicht: Dies sei höchstens die allerletzte Option. (Stefan Krempl) / (pmz)