Anonymous vs. Scientology: Anklage wegen DDoS-Angriffen

Ein 18-jähriger Amerikaner hat sich dazu bekannt, im Januar an DDoS-Angriffen auf die Websites der Scientology-Organisation teilgenommen zu haben. In den USA drohen für derartige Vergehen bis zu zehn Jahre Gefängnis.

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Von
  • Gerald Himmelein

Ein 18-jähriger Amerikaner hat sich dazu bekannt, im Januar an Angriffen auf die Websites der Scientology-Organisation teilgenommen zu haben. Einer Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft des Central District of California zufolge betrachtete sich Dmitriy Guzner zum Zeitpunkt der DDoS-Angriffe als "Mitglied einer Untergrundgruppe namens Anonymous". Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass sich Guzner in Kürze vor Gericht für schuldig bekennen wird. Die Höchststrafe für DDoS-Angriffe beträgt zehn Jahre.

Ende Januar 2008 war ein Video auf YouTube erschienen, in dem eine Gruppe namens "Anonymous" der umstrittenen Organisation Scientology den Krieg erklärte. Das Video wurde von einer mehrere Tage anhaltenden DDoS-Attacke begleitet. Scientology gab gegenüber der Staatsanwaltschaft an, die Angriffe hätten einen Schaden von über 5000 US-Dollar verursacht. Damit ist mutmaßlich gemeint, dass Scientology seine Server seit Februar vom Server-Dienst Prolexic gegen Angriffe schützen lässt.

Der Pressemitteilung zufolge gehen die Ermittlungen gegen Guzner auf eine auf Internet-Verbrechen spezialisierte Einheit des United States Secret Service zurück. Weiterhin seien das FBI sowie die Polizei und Staatsanwaltschaft von Los Angeles an der Untersuchung beteiligt gewesen. Die Staatsanwaltschaft trat zu einem auffallend opportunen Zeitpunkt an die Öffentlichkeit: Für den Folgetag hatten sich Anonymous-Aktivisten zur neunten weltweiten Demonstrationswelle gegen Scientology verabredet.

Kurz nach den DDoS-Angriffen beschloss Anonymous eine neue Strategie: Statt über Website-Angriffe sollte Scientology durch gewaltfreie globale Proteste in die Knie gezwungen werden. Die monatlichen Demonstrationen begannen im Februar und wurden im Monatsrhythmus fortgesetzt. Im März bezogen über 9000 Demonstranten vor Scientology-Zentralen weltweit Position. Seitdem geht die Zahl der Teilnehmer allerdings stetig zurück. Im September fanden immerhin noch knapp über 1000 Demonstranten zusammen; für die Demonstrationen vom 18. Oktober liegen noch keine Zahlen vor.

Scientology ließ es sich nicht nehmen, die Mitteilung der kalifornischen Staatsanwaltschaft kommentiert an diverse Nachrichtenorgane weiterzuleiten. Die Organisation beschreibt sich als Kirche, geht aber mit offensiver Härte gegen ihre Kritiker vor. Einen Tag vor der März-Demonstration hatte Scientology ein Video veröffentlicht, das Anonymous diverse "Hassverbrechen" vorwirft, darunter Drohanrufe und E-Mail-Lawinen.

Es fällt schwer, einen direkten Zusammenhang zwischen den von Scientology vorgebrachten Vorwürfen mit den friedlich protestierenden Demonstranten herzustellen. "Anonymous" ist keine Gruppe mit Führungshierarchie und festen Mitgliedern, sondern ein Überbegriff für zahlreiche namenslose Aktivitäten im Internet, bei denen meist anarchischer Spaß im Vordergrund steht.

So werden Anonymous alle möglichen Schandtaten zugeschrieben, vom Einbruch in ein E-Mail-Konto der US-Vizekandidatin Sarah Palin über virtuelle Überfälle auf ungenügend gesicherte Web-Foren – Anonymous ist ein Deckmantel, unter den sich jeder verkriechen kann. Mitunter bekriegen sich die Anonymen sogar gegenseitig: Die mehrwöchigen Angriffe gegen Enturbulation.org, den Organisations-Hub der Scientology-Gegner, gingen angeblich von anderen Anons aus. (ghi)