Anti-Spam-Maßnahmen und die IETF: Praxis vor Standard

Bevor die Internet Engineering Task Force (IETF) die Standardisierung von Anti-Spam-Maßnahmen erneut in Angriff nimmt, will sie Ergebnisse sehen.

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Von
  • Monika Ermert

Bevor die Internet Engineering Task Force (IETF) die Standardisierung von Anti-Spam-Maßnahmen erneut in Angriff nimmt, will sie Ergebnisse sehen. Nach der viel diskutierten Schließung der Anti-Spam-Arbeitsgruppe MARID, in der vor allem über Microsofts SenderID heftig gestritten worden war, stellte man beim Meeting IETF61 in Washington nun auch noch den Start einer neuen Arbeitsgruppe mit dem Titel MASS zurück. Sie soll sich um den Schutz per Signatursystem kümmern. Schließlich bleiben auch die Initiatoren der Arbeitsgruppe CLEAR in Wartestellung. Sie würden gerne ihren Vorschlag mit dem Titel CSV propagieren, die IP-Adressen des Absenders nicht nur per Domaincheck, sondern auch noch durch einen Check der Reputation der Domain zu überprüfen.

"Die IETF arbeitet weiter an dem Problem", versichert IETF-Vorsitzender Harald Alvestrand, der den Kurs auch beim E-Mail Authentication Workshop der Federal Trade Commission (FTC) in Washington vertreten wird -- wenn auch bezeichnenderweise nur als Teilnehmer. Dass Regierungen, andere Standardisierungsorganisationen oder Unternehmen wie Microsoft der IETF zuvorkommen können, darüber sorgt man sich bei der IETF nicht. "Jeder, der behaupten würde, er hat die Lösung gegen Spam, würde lügen", sagt mit Blick auf die heute startende FTC-Veranstaltung Andy Newton, der als Chef der MARID-Arbeitsgruppe den Stecker gezogen hat. Im Übrigen sei nicht damit zu rechnen, dass die US- oder eine andere Regierung tatsächlich eine technische Lösung mandatieren.

Entgegen vielen Spekulationen betont Newton, dass MARID allein wegen unvereinbarer technischer Konzepte abgebrochen wurde. "Alle wollten der Tim Berners-Lee des Anti-Spam-Kampfs sein", beschreibt ein Beobachter rückblickend die Situation in der Arbeitsgruppe. Doch so umstritten wie die Lösungen sind auch die Interpretationen, warum MARID wie eine heiße Kartoffel fallen gelassen wurde. Während Newton betont, das Gerangel um Microsofts Patentrechte habe allenfalls eine untergeordnete Rolle gespielt, findet John Levine, einer der Chefs der Anti-Spam-Arbeitsgruppe der IETF-Schwester Internet Research Task Force (IRTF), dass genau dies das unzeitige Ende beschleunigt hat.

Mehr Einigkeit demonstriert man für die nächsten Schritte. "Jeder Vorschlag kann als experimenteller Request for Comment eingereicht werden", sagt Newton. Wer sich in der Praxis durchsetzt, soll mit "running code" dann zur IETF zurückkommen. Immerhin, erklärte Newton, verändere jedes der vorgeschlagenen Systeme die Nutzung von E-Mail fundamental und mache einzelne Nutzungsmöglichkeiten, die bislang legitim waren, unmöglich. Bevor man die Standarddiskussion erneut beginne, brauche man mehr Daten zur Umsetzung, den Reaktionen der Endnutzer und den dabei auftretenden Schwierigkeiten -- beispielsweise der Gefahr fehlerhafter Einträge für die Anti-Spam-Technik SPF, wie sie kürzlich laut einem Experten Hotmail für seine E-Mail-Adressen veröffentlichte. Der selbst auferlegte Zeitdruck bei MARID sei nicht sinnvoll gewesen -- und, räumte Newton immerhin ein, die Fragen zu Patenten hätten eventuell früher angesprochen werden sollen.

Der Glaubenskrieg um den richtigen Weg bei der Bekämpfung falscher Absenderadressen in E-Mails ist also erst einmal vertagt. Wer von den Kandidaten in einer zukünftigen Runde zwei antreten wird und wie viele neue Kandidaten dabei sein werden, ist offen. Selbst die Experten haben aber inzwischen den Überblick verloren über neue Variationen. Die CLEAR-Gruppe propagiert so gemeinsam mit Levine nun zusätzlich auch noch das Tagging der "Mailfrom"-Adressen als Möglichkeit zur Validierung (Bounce Address Tag Validation, BATV). Cisco ist mit einer Alternative zu Yahoos DomainKeys in den Ring gestiegen. Weil die IETF erst einmal die Bremse gezogen hat, geben sich die Protagonisten heute bei der FTC ein Stelldichein -- vielleicht in der Hoffnung, ihre Ausgangsposition für das weitere Rennen ein bisschen zu verbessern. (Monika Ermert) / (jk)