Antikes Olympia feiert Auferstehung im Computer

Die Ruinen des griechischen Olympia feiern im Computer ihre Auferstehung.

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Von
  • Ingo Senft-Werner
  • dpa

Die Ruinen des griechischen Olympia feiern im Computer ihre Auferstehung. Ein Blick durch die Spezialbrille genügt und aus den antiken Fundamenten wachsen die mächtigen Säulen der Tempel von Hera und Zeus empor. Das Programm Archeoguide wird von Experten in Darmstadt im Auftrag der Europäischen Union entwickelt. Im Frühjahr muss der Prototyp abgeliefert werden. Dann soll das Produkt in Serie gehen und pünktlich zu den Olympischen Spielen in Athen 2004 als Touristenattraktion auf den Markt kommen.

Die wissenschaftliche Grundlage für das Projekt ist die "Augmented Reality". Auf diesem Gebiet haben die Darmstädter auch schon andere Projekte entwickelt. Mit einer Kamera wird das Blickfeld eines Beobachters gefilmt und in einer Brille mit Computer-Display mit künstlichen Welten erweitert. Der Olympia-Tourist sieht durch die Brille sowohl die umgefallenen Säulen und die Mitglieder seiner Reisegruppe als auch das Modell des Tempels. Je nach Kopfbewegung passt sich die Perspektive des Bauwerkes an, um damit einen möglichst realitätsnahen Eindruck zu erzeugen.

Die Fachleute für "Augmented Reality" sitzen im Fraunhofer Institut für Graphische Datenverarbeitung (IGD) und Zentrum für Graphische Datenverarbeitung (ZGDV) in Darmstadt. "Unser größtes Problem war, den menschlichen Blick einzufangen", erläutert Tim Gleue vom ZGDV. Der Computer muss genau feststellen, wohin der Betrachter sieht, um dann perspektivisch korrekt das künstliche Modell aufzustellen. Bislang war dies nur mit auffälligen Markierungen in der Landschaft möglich. Deshalb musste ein neues, denkmalschonendes Verfahren entwickelt werden.

Nach dem aktuellen Stand können Touristen an sechs markierten Punkten die Brille aufsetzen und sich das alte Olympia ansehen. Dabei dürfen sie sich bislang nur in einem Radius von knapp einem Meter bewegen. "Den wollen wir in den kommenden Monaten vergrößern, damit die Betrachter auch ein Stück auf die Tempel zugehen können", erklärt Didier Stricker vom IGD. Per Mausklick kann sich der Brillenträger außerdem in einen Vogel verwandeln und das historische Ensemble aus der Luft betrachten. In die karge Sportarena projiziert der Computer historische Wettkämpfe im Laufen, Speer- und Diskuswerfen.

Die schönen Visionen kämpfen bislang gegen ein Hindernis: die Technik. In den ersten Versuchsreihen mussten die Wissenschaftler mit einem Rucksack-Laptop arbeiten, der über sechs Kilo wog. Für einen mehrstündigen Rundgang im heißen Griechenland ein gewichtiges Gegenargument. Inzwischen sind sie bei knapp drei Kilo angekommen. "Die Akkus sind unser größtes Problem", erklärt Gleue. Außerdem kosten die Bestandteile viel Geld. Auf über 10.000 Mark schätzt der Computerspezialist die Kosten. "Aber in der Massenproduktion wird der Preis schnell sinken."

Zurzeit werden die ersten Modelle in Olympia an freiwilligen Touristen getestet. "Die Jugendlichen sind sehr sehr neugierig, ältere Besucher dagegen sind oft reserviert", erzählt Stricker. Geprüft wird neben den Programmen auch, ob die Betrachter lieber eine Brille oder eine Art Fernglas benutzen.

Insgesamt sind an dem Projekt "Archeoguide" (Augmented Reality-based Cultural Heritage On-site Guide) neben den beiden Darmstädter Instituten noch vier andere Partner beteiligt. Der griechische Telefonkonzern Intracom sorgt für die notwendige Infrastruktur, ein italienisches Vermessungsbüro liefert Daten und Luftbilder, eine griechische Agentur stellt dreidimensionale Modelle der Tempel zur Verfügung und die portugiesische Außenstelle des ZGDV modelliert die antiken Kämpfer. All das geschieht unter den Augen des griechischen Kulturministeriums, das auf die historische Treue achtet und die spätere Vermarktung organisieren soll. (Ingo Senft-Werner, dpa) / ()