Ohrfeige für SAP: Anwender wollen nicht in die Cloud, KI-Strategie zu unklar
Die jüngste DSAG-Umfrage bekräftigt: Cloud-Betriebsmodelle für S/4HANA spielen bei SAP-Anwendern in der DACH-Region nach wie vor eine untergeordnete Rolle.
Erstmals befragte die Deutschsprachige SAP Anwendergruppe (DSAG) anlässlich des jüngsten Investitionsreports die DACH-Mitgliedsunternehmen nach ihrer Einschätzung bezüglich der S/4HANA-Cloud-Strategie. Das Ergebnis fiel desaströs für den Walldorfer Softwarekonzern aus. Gerade einmal dreizehn Prozent der Befragten fällten ein positives Urteil. Knapp die Hälfte senkten dagegen den Daumen bezüglich der Cloud-ERP-Politik ihres Haus- und Hoflieferanten. Allerdings erfolgte die Befragung teilweise bereits vor dem Launch des Programms Rise with SAP Migration and Modernization. Es lässt sich also noch nicht bewerten, ob die ausgelobten hohen Rabattierungen einen Wechsel in die Cloud für Bestandskunden attraktiver machen.
Aktuell jedenfalls spielen die Cloud-Betriebsmodelle für die S/4HANA nach wie vor eine untergeordnete Rolle – auch wenn die Nutzung unter dem Strich im Vergleich zum Vorjahr zugenommen hat. Gegenwärtig setzen laut Umfrage lediglich elf Prozent bei der ERP-Software auf die Private-Cloud-Variante und sechs Prozent auf die Public Cloud. Dazu passt, dass die Mehrheit der Befragten kein Interesse an begleitenden Marketingprogramme wie Rise oder Grow hegen.
Viel spricht für on Premises und viel gegen die Cloud
"Viele der befragten Unternehmen möchten mit ihren SAP-ERP-Systemen On-Premises bleiben. Sie sahen zum Zeitpunkt der Umfrage keine Vorteile einer Migration in die Cloud und das Vertrauen in SAP fehlt hier teilweise auch", ordnet DSAG-Vorstand Jens Hungershausen die Zahlen ein. Als Gründe für ihre ablehnende Haltung nennen die Befragten unter anderem das ungünstige Kosten-Nutzen-Verhältnis, erhöhte Testaufwände, eingeschränkte Erweiterungsmöglichkeiten, aber auch die hohe Abhängigkeit vom Anbieter inklusive fehlender Ausstiegs-Optionen.
Erwartungsgemäß wird die Realität in den meisten Firmen auch im Jahr 2024 nach wie vor von den traditionellen Programmen SAP ERP beziehungsweise Business Suite geprägt. Mit 68 Prozent ging der Anteil im Vergleich zum Vorjahr allerdings um gut zehn Prozent zurück, während – zum Teil parallel – der Einsatz der neuen ERP-Generation S/4HANA anzog. Dabei bevorzugen 44 Prozent Eigenbetrieb, also on Premises. 17 Prozent setzen auf Cloud-Betriebsmodelle.
Dass die Investitionsbereitschaft im S/4HANA-Umfeld im Vergleich zum Vorjahr wächst, überrascht kaum. Für 38 Prozent (2023: 28 Prozent) ist es inzwischen für hohe Investitionen relevant. Auffällig ist jedoch, dass vier Prozent der Unternehmen weiterhin hohe Investitionen und achtzehn Prozent mittlere Investitionen in die traditionelle Business Suite planen. Mit Blick auf das 2027 anstehende Wartungsende für die traditionellen ERP-Programmpakete und dem damit sehr knappen Zeitfenster für die Migration, hätte Hungershausen hier letztlich eher höhere Investitionsbereitschaft in S/4HANA erwartet.
KI ist wichtig, aber die SAP-Strategie ist unklar
Eine eher abwartende Haltung legen die Anwender zudem in puncto Künstlicher Intelligenz an den Tag – ganz im Unterschied zum Marketing der SAP. 28 Prozent der Befragten weisen der KI zwar inzwischen eine hohe und mittlere Relevanz für ihre IT-Investitionen allgemein zu. Auf die Frage, wie sie die SAP-Strategie diesbezüglich einschätzen, gab fast die Hälfte keine Antwort ab. Als gut bewerten sie zehn Prozent, als mangelhaft elf Prozent.
Unabhängig von der abwartenden beziehungsweise kritischen Haltung bezüglich der Produktstrategie aus Walldorf bleibt SAP unter den DSAG-Mitgliedern auch künftig das Maß aller Dinge: Mehr als die Hälfte der Befragten geht davon aus, dass die Relevanz des Softwareherstellers für die Zukunft ihres Unternehmens gleich bleibt. Fast ein Drittel rechnet sogar mit einer wachsenden Bedeutung SAPs. SAP ist es allem Anschein nach gelungen, über die vergangenen Jahrzehnte hinweg die Systemlandschaften der Unternehmen stark zu durchdringen. "Eine Ablösung bestehender SAP-Systeme ist in vielen Unternehmen allein vom damit verbundenen Aufwand her kaum denkbar", lautet denn auch das Fazit von DSAG-Vorstand Hungershausen.
(fo)