Arbeitsversion des menschlichen Erbgutes liegt vor

Das Humangenomprojekt, ein internationales Konsortium öffentlich geförderter Forschungsinstitute, hat heute eine "Arbeitsversion" des menschlichen Erbguts vorgelegt.

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Von
  • Wolfgang Stieler

Das "Humangenomprojekt", ein internationales Konsortium öffentlich geförderter Forschungsinstitute, hat heute eine "Arbeitsversion" des menschlichen Erbguts (Genoms) vorgelegt. Die vorgestellte Arbeitsversion besteht aus sich überlappenden DNA-Fragmenten, die 97 Prozent des gesamten Genoms abdecken. Von 85 Prozent der Fragmente wurde bereits die die Abfolge der Basen A,T,C und G bestimmt.

Mit diesem Meilenstein hat das Projekt zwei Aufgaben erfolgreich gelöst: die Anordnung der großen sich überlappenden DNA-Fragmente in der richtigen Reihenfolge innerhalb des Genoms sowie die weitgehende Bestimmung der Buchstabenfolge der über 3 Milliarden Buchstaben des menschlichen Genoms. Basis hierfür ist die explosionsartige Produktion von Sequenzdaten im vergangenen Jahr. Mehr als 60 Prozent der vorliegenden Daten wurden in den vergangenen sechs Monaten sequenziert. Heute produziert das Konsortium 1000 Basen Rohsequenz pro Sekunde – sieben Tage die Woche, 24 Stunden am Tag.

In einer parallelen Ankündigung wird heute in Washington die Firma Celera Genomics ebenfalls eine eigene erste Version der Sequenz des menschlichen Genoms vorstellen. Während das öffentliche und das private Projekt die gleichen Roboter- und Sequenzierungstechnologien einsetzen, unterscheiden sich die gewählten Strategien deutlich. Das öffentliche Projekt nutzt die sogenannte hierarchische 'Shotgun' (= Schrotschuss) Methode, bei der die menschliche Erbsubstanz (DNA) in große Fragmente zerlegt und auf den Chromosomen genau positioniert wird (Erstellung von Chromosomenkarten). Die definierten DNA-Fragmente werden dann mittels Shotgun – das heißt mechanischer Zerkleinerung in sich überlappende handhabbare kleine Stücke – sequenziert und anschließend im Computer zu einer Buchstabenabfolge wieder zusammengesetzt. Celera Genomics setzt auf den Ansatz der "Komplett-Genom Shotgun"-Methode, bei der die komplette menschliche DNA in kleine Bruchstücke zerkleinert und anschließend sequenziert wird. Ohne Kenntnis der Lage der Fragmente auf den Chromosomen ist die Computeranalyse ungleich schwieriger. Eine Kombination der beiden Strategien für zukünftige Sequenzierungsprojekte wird zwischen dem öffentlichen Projekt und Celera Genomics diskutiert. In Presseberichten wird darüber spekuliert, dass noch heute eine Zusammenlegung beider Datenbasen beschlossen werden könnte.

Inzwischen konnten aus den bereitgestellten Sequenzdaten viele tausend Gene identifiziert werden. Einige Dutzend Gene konnten als Auslöser für schwere Krankheiten bestimmt werden. Dennoch warnen die Wissenschaftler vor Euphorie und übertriebenem Optimismus. Die Wissenschaft stehe jetzt erst am Anfang, die Funktion des menschlichen Organismus verstehen zu lernen. Bis zur Entwicklung neuer Medikamente und Therapien zur Behandlung schwerer Krankheiten würden noch 15 oder sogar 30 Jahre vergehen.

Das internationale Sequenzierkonsortium besteht aus 16 Forschungseinrichtungen aus den USA, Großbritannien, Japan, Frankreich, Deutschland und China. Mit großem Koordinierungsaufwand wurde sichergestellt, dass keine Region des Genoms übersehen und mögliche Doppelarbeit minimiert wird. Etwa 1000 Wissenschaftler arbeiten weltweit an dem Projekt.

Mehr zu dem Thema in Telepolis: Wissenschaft als Medienereignis: Arbeitsversion des menschlichen Genoms veröffentlicht (wst)