Architekten und Ingenieure gegen Urheberrechtsnovelle

Die Kosten für den Bezug von DIN-Vorschriften könnten durch den umstrittenen Entwurf für ein neues Urheberrecht deutlich teurer werden.

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Die Bundesarchitekten- und die Bundesingenieurkammer haben in einem gemeinsamen Brief an Abgeordnete vor einer deutlichen Erhöhung der Kosten für den Bezug von DIN-Normen gewarnt. Durch eine bislang wenig beachtete Klausel im heftig umstrittenen Regierungsentwurf für die Anpassung des Urheberrechts ans Informationszeitalter "würde das Preisniveau für diese Vorschriften ganz empfindlich angehoben", erklären die beiden Berliner Verbände in ihrem Schreiben, das heise online vorliegt. Die Präsidenten der Kammer bitten die angesprochenen Bundestagsabgeordneten daher, der Änderung nicht zuzustimmen.

Stein des Anstoßes ist die vom Bundesjustizministerium geplante Ausweitung des Urheberrechtsschutzes auf die Veröffentlichung von Industriestandards. Ein Bezug auf "private Normwerke" werde durch den Verweis auf sie in "Gesetzen, Verordnungen, Erlassen oder amtlichen Bekanntmachungen" zwar nicht urheberrechtlich relevant, heißt es in dem beanstandeten § 5, Absatz 3 -- zumindest nicht, solange diese nicht "den Wortlaut wiedergeben". Alle anderen Nutzer dürfen die Normenverfasser aber nach den Planungen der Regierung zur Kasse bitten. Die bisher bestehende Möglichkeit des freien Nachdrucks oder des Veröffentlichens der Normen im Web wäre damit nicht mehr gegeben.

Die Kammern beklagen nun, dass das öffentliche Interesse am Bezug der Normen hinter Privatinteressen zurückstehen solle. Der Vorschlag beruhe jedoch auf einem fatalen Missverständnis. Wie die Regierung in der Begründung zu dem Gesetzesentwurf ausführt, geht es ihr mit dem erweiterten Urheberschutz vor allem um die "seit längerem notwendige Sicherung" privater Instanzen wie dem Deutschen Institut für Normung (DIN). Durch die Änderung solle eine drohende Einschränkung der Selbstfinanzierung oder gar eine Gefahr für die Tätigkeit solcher "verdienstvollen Gremien" vermieden werden.

Die Vertreter der Architekten und Ingenieure weisen dagegen darauf hin, dass die DIN-Normen "ganz überwiegend von ehrenamtlichen Mitarbeitern" entwickelt würden. Ausdrücklich müssten sie auf Verwerterrechte, die aus ihrer Mithilfe eigentlich erwachsen, verzichten. Finanziert würde die Gremienarbeit "über die Beiträge der Berufsträger". Dass diese nun auch noch durch die Einführung der Kostenpflicht für Normen zusätzlich belastet werden sollen, sei "unakzeptabel".

Besonders empört sind die Kammern darüber, dass die von ihnen abgelehnte Klausel erst nach allen Anhörungen in den Gesetzesentwurf eingefügt wurde. Wie die Regierung selbst zugebe, habe die vorgeschlagene Regelung zudem nichts mit der EU-Richtlinie zur Neugestaltung des Urheberrechts zu tun, die mit dem Paragraphenwerk eigentlich umgesetzt werden soll. Wie ein Hohn erscheint den Verbänden schließlich, dass das federführende Justizministerium zu Beginn des Entwurfs unter dem Punkt "Kosten" darauf verweist, dass "Auswirkungen auf Einzelpreise sowie das Preisniveau, insbesondere das Verbraucherpreisniveau," nicht zu erwarten seien.

Zumindest bei den Bündnisgrünen sind die Kammern inzwischen auf offene Ohren gestoßen. Es sei ein "grundlegendes demokratisches Prinzip, dass es an verbindlichen Normen kein Urheberrecht geben darf", erklärte die medienpolitische Sprecherin der Fraktion, Grietje Bettin, gegenüber heise online. Es könne nicht angehen, dass man von Normen, an die man sich schließlich halten solle, erst nach dem Hinblättern von Euroscheinen Kenntnis erlange.

Zum Thema Urheberrecht und Geistiges Eigentum siehe auch:

  • Wissen ist Geld -- Urheberschutz, "Geistiges Eigentum" und die Rechteverwerter, c't 24/2002, S. 108. Der Artikel ist auch online verfügbar.

(Stefan Krempl) / (jk)