Arcor und die Telekom streiten über Durchleitungstarife

Arcor hat die Verhandlungen mit der Deutschen Telekom über die Durchleitungstarife abgebrochen und die Regulierungsbehörde eingeschaltet.

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Von
  • Christian Rabanus

Die Festnetz-Telefongesellschaft Mannesmann Arcor hat die Vertragsverhandlungen mit der Deutschen Telekom über die so genannten Durchleitungs- oder Interconnection-Tarife für gescheitert erklärt. Diese Tarife berechnet die Telekom für die Kosten der durch ihr Netz geleiteten Telefondienstleistungen der Konkurrenten. Arcor hat nunmehr direkt die Regulierungsbehörde für Post und Telekommunikation (RegTP) eingeschaltet.

Der derzeit gültige Vertrag über die Interconnection-Tarife hat noch eine Laufzeit bis Ende Januar 2001. Nach der Einschaltung der RegTP könnte aber schon sehr viel früher ein neuer Vertrag zustande kommen: Nach §37, Absatz 1, des Telekommunikationsgesetzes muss die RegTP nämlich dann, wenn Vertragsverhandlungen zwischen dem marktbeherrschenden Anbieter – also der Deutschen Telekom – und privaten Telefongesellschaften über die Interconnection-Tarife scheitern, binnen maximal zehn Wochen eine neue Regelung für die Zusammenschaltung anordnen.

Der Streit zwischen Arcor und der Telekom entzündete sich an der Definition dessen, was eine effiziente Netzstruktur sei, also ab wann von einer Telefongesellschaft gesagt werden kann, dass sie ein flächendeckendes Angebot vorhalte. Es ist unstittig, dieses an der Zahl der so genannten Interconnection-Punkte festzumachen, also an der Zahl der Punkte, an denen das Netz einer privaten Telefongesellschaft mit dem Netz der Deutschen Telekom zusammengeschaltet ist. Von der RegTP und dem Wissenschaftlichen Institut für Kommunikationsforschung (WIK) wurde diese Zahl mit 469 angegeben, die Telekom bestätigte in ihrem Verhandlungsentwurf für einen neuen Interconnection-Vertrag vom Dezember 1999 diese Zahl. Nach Aussage von Heiko Witzke von Mannesmann Arcor liegt diese Zahl auch der Netzplanung von Arcor zugrunde. Für private Telefongesellschaften ist es nun deshalb von Bedeutung, als Anbieter mit einer effizienten Netzinfrastruktur anerkannt zu sein, da dies für sie eine Berechnung für die Durchleitung von Telekommunkationsdiensten durch das Netz der Telekom zu den günstigsten Tarifen ("local area") bedeutet.

Im Mai diesen Jahres habe allerdings die Telekom neue Zahlen aus dem Hut gezaubert, erklärte Witzke: In den Verhandlungen habe die Telekom nunmehr eine Zahl von über 1000 Interconnection-Punkten für die Bewertung einer Netzinfrastruktur als effizient zugrunde gelegt. Das habe man nicht hinnehmen wollen. Das eigene Modell, das man der RegTP zur Kenntnis gebracht habe, orientiere sich an entsprechenden EU-Vorschlägen.

Wie Witzke weiter erläutert, gab es noch einen weiteren Grund für den Abbruch der Verhandlungen. Am 23. Juni habe nämlich das lokale Münsteraner Telekommunikationsunternehmen Citykom den Abschluss eines Interconnection-Vertrags bekannt gegeben. Die Münsteraner hoben dabei hervor, dass sie die erste Telefongesellschaft seien, die einen Interconnection-Vertrag auf der Grundlage des Element Based Charging Modells (EBC) abgeschlossen habe. Im Gegensatz zu derzeit geltenden Interconnection-Verträgen, die eine Abrechnung auf der Grundlage der überbrückten Entfernung vorsehen, liegt der Berechnung der Durchleitungsgebühren nach dem EBC-Modell die Anzahl der benutzen Telekom-Netzelemente zugrunde. Die Durchleitungsgebühren sinken also, wenn eine private Gesellschaft aufgrund des Ausbaus eines eigenen Netzes weniger Telekom-Netzelemente in Anspruch nimmt.

Auch über die generelle Abrechung der Durchleitungsgebühren nach dem EBC-Modell herrscht zwischen Telekom, Regulierern und privaten Gesellschaften Einigkeit. Allerdings hätten beim Vertragsabschluss in Münster Bedingungen zugrunde gelegen, die für eine überregional agierende Telekommunikationsgesellschaft nicht akzeptabel seien, führte Witzke aus. Um also auch diesbezüglich kein Präjudiz zu schaffen habe man die Verhandlungen mit der Telekom abgebrochen.

Bei der Telekom sieht man den Schritt Arcors gelassen. Sprecher Ulrich Lissek kommentierte den Abbruch der Verhandlungen mit den Worten: "Das ist das übliche Spielchen." Er sieht weiterhin gute Chancen, dass man sich mit Arcor noch auf eine Verhandlungslösung verständigen könne. Die Heraufsetzung der Anzahl der Interconnction-Punkte, ab der ein Anbieter als flächendeckend gelte, sieht er im Zusammenhang mit der Einführung des EBC-Modells. Die magische Zahl von 469 basiere noch auf der entfernungsbezogenen Abrechnung, das neue Modell habe ein Heraufsetzen der Zahl der Interconnection-Punkte zum Eintritt in die günstigste Tarifstufe notwendig gemacht. Eine 100-prozentige Netzabdeckung sei erst bei rund 1000 Interconnection-Punkten gewährleistet. Angesprochen auf den Vertrag mit dem lokalen Anbieter aus Münster sagte Lissek, dass die Telekom und offensichtlich auch ihr lokaler Vertragspartner mit der gefundenen Regelung sehr zufrieden seien. (chr)