Argentinien will mit KI Verbrechen bekämpfen und vorhersagen

Eine neue Spezialeinheit soll mit moderner Technik Kriminalität bekämpfen, auch indem sie soziale Netzwerke dauerhaft überwacht. Kritiker sind alarmiert.

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Mann sitzt vor Überwachungsmonitoren

Aufnahme aus der argentinischen Überwachungszentrale für Notfälle und Katastrophen.

(Bild: Ministerio de Seguridad Argentina)

Lesezeit: 3 Min.

Die argentinische Regierung hat eine Spezialeinheit ihrer Sicherheitsbehören gegründet, die mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz umfassend Kriminalität bekämpfen und auch vorhersagen soll. Kritiker sind alarmiert, da die Unidad de Inteligencia Artificial Aplicada a la Seguridad (UIAAS) umfassende Überwachungsaufgaben erfüllen soll.

Die UIAAS soll für Ermittlungen zu Straftaten in sozialen Netzwerken und Webseiten "patrouillieren", wie es im Regierungserlass heißt, also dauerhaft überwachen, auch das Dark Web. Dabei soll sie mit Hilfe von Bilderkennung Tatverdächtige identifizieren, aber auch potenzielle Bedrohungen durch kriminelle Gruppen zu identifizieren oder "Unruhen" vorherzusagen.

Ebenso soll die Spezialeinheit Situationen mit Risiko für die nationale Sicherheit erkennen und dafür Bilder von Überwachungskameras in Echtzeit analysieren, um verdächtige Aktivitäten auszumachen oder gesuchte Personen zu finden. Historische Daten zu Verbrechen sollen mit Algorithmen und maschinellem Lernen analysiert werden, um künftige Verbrechen vorherzusagen.

Die UIAAS hat auch die Aufgabe, in Computernetzwerken ungewöhnliche Muster zu erkennen, um daraus auf Cyber-Bedrohungen zu schließen, noch bevor es zu Angriffen durch Malware oder Phishing kommt. Analyse großer Datenmengen aus verschiedenen Quellen soll helfen, um Profile von Verdächtigen zu gewinnen und Verbindungen zwischen verschiedenen Straftaten zu erkennen. Die UIAAS soll auch verdächtige Finanztransaktionen aufspüren.

Jenseits des Cyberspace ist die UIAAS auch dafür zuständig, mit Drohnen Patrouille zu fliegen und Sprengstoffe mit Robotern zu entschärfen. Zudem soll sie die Kommunikation und Koordination zwischen verschiedenen Strafverfolgungsbehörden verbessern, damit wichtige Informationen schneller bereitstehen.

Mariela Belski von Amnesty International Argeninien sieht laut dem Guardian die Gefahr, dass sich die Menschen durch die umfassende Überwachung der sozialen Medien selbst zensieren. Der Professor für Medien- und Informationstechnologie Martín Becerra analysiert für die argentinische Tageszeitung El Diario, mit Datenanalyse Verbrechen vorherzusagen, greife das Prinzip der Unschuldsvermutung an.

Ein Mensch, der in einem Stadtviertel lebt, in dem es laut Statistik mehr Verbrechen als anderswo gibt, werde eher Ziel von Überwachung als Bewohner anderer Stadtteile, schreibt Becerra. Verhaltensweisen aufgrund algorithmischer Kriterien als kriminell einzustufen sei unverhältnismäßig, Techniken der Verbrechensvorhersage krankten ohnehin daran, dass sie voreingenommen programmiert seien. Insgesamt sieht Becerra die Privatsphäre der Nutzer digitaler Plattformen in Gefahr. Nationale Gesetze stellten jede Art von privater Kommunikation und Daten unter Schutz, auch dieses Prinzip würde untergraben und könne zu einer neuen Form der Überwachung führen.

Für die Journalistin Natalia Zuazo werden mit der UIAAS illegale staatliche Aktivitäten mit dem Deckmantel "moderner Technologien" versehen. Sie befürchtet, dass viele verschiedene Sicherheitskräfte unkontrollierten Zugang zu den gesammelten Informationen haben werden.

Beatriz Busaniche von der argentinischen Bürgerrechtsorganisation Vía Libre Foundation beurteilte die geplante ständige Überwachung von sozialen Netzwerken als illegal. Als Beispiel führte sie an, es sei normal, wenn Polizisten durch die Stadt Streife laufen. Wenn sich aber ein Ordnungshüter zu zwei Menschen gesellen und ihr Gespräch aufzeichnen würde, wäre die Grenze des Erlaubten überschritten.

Die argentinische Regierung verweist zur Gründung der Spezialeinheit auf Länder wie den USA, China, Großbritannien, Israel, Frankreich, Singapur, Indien, die Pioniere in Videoanalyse und Gesichtserkennung seien, Verbrechensvorhersage, Cybersicherheit, Datenanalyse, Drohnen und Robotik. Nach dem AI Act der Europäischen Union, der seit dem heutigen 1. August gilt, ist beispielsweise individuelle vorausschauende polizeiliche Überwachung verboten.

(anw)