Artemis: Kostenexplosion bei mobiler Startrampe Mobile Launcher 2

Die mobile Startrampe Mobile Launcher 2, die der Artemis-Mission der NASA dient, verteuert sich. Sogar sehr deutlich.

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Künstlerisches Rendering des Mobile Launcher 2 von NASAs Space Launch System

(Bild: NASA / David Zeiters)

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NASA entwickelt eine zweite mobile Startrampe, Mobile Launcher 2 (ML-2), die zum Zusammensetzen, Transport und Start der Raketen der Artemis-Mission dienen soll. Der Generalinspekteur der NASA hat jetzt einen Zwischenbericht vorgelegt. Demnach ufern die Kosten des Projekts stark aus.

Die zweite Version der mobilen Startrampe soll den kräftigeren Raketen (Space Launch System, SLS) der Bauarten 1B und 2 dienen, für die das erste Modell der Startrampe zu klein ist. Das Mobile Launch System nutzt die NASA für die Montage, die Verarbeitung, den Transport und den Start der Schwerlastrakete SLS mit der zugehörigen Mehrzweck-Orion-Kapsel für die Crew. Es soll für die Artemis-IV-Mission ab 2028 zum Einsatz kommen.

Hauptvertragspartner der NASA für den ML-2 ist Bechtel National, Inc. Bechtel zeichnet für das Projektmanagement, architektonischen und ingenieurstechnischen Designs, technische Integration, Herstellung, Konstruktion, Tests, Kommissionierung sowie Qualitätskontrolle verantwortlich, erläutert die NASA in ihrem Bericht. Ursprünglich wurde der Vertrag im Juni 2019 mit einem Umfang von 383 Millionen US-Dollar geschlossen, Liefertermin war der März 2023. Im August 2022 sei der Vertragsumfang auf über eine Milliarde US-Dollar angewachsen und die Lieferung auf Mai 2026 verschoben worden. Jüngere Schätzungen von NASA und Bechtel deuten auf weitere Kostensteigerungen und Lieferverzögerungen.

Schon zuvor habe das NASA-Management im Juni 2022 einen Bericht zu überbordenden Kosten und Lieferzeiten veröffentlicht, der im Wesentlichen die Performance von Bechtel verantwortlich machte. Zwar habe man Fortschritte gemacht, die NASA habe jedoch Probleme, verlässliche Kosten- und Zeitplanungen für das ML-2-Projekt und Anreize für signifikante Verbesserungen der Leistungen der Auftragnehmer zu liefern. Aufgrund der Wichtigkeit des ML-2-Systems für künftige Artemis-Missionen sei es von kritischer Bedeutung, dass die NASA das Projekt effektiv verwalte, um die Kostensteigerungen einzuhegen und weitere Verzögerungen im Zeitplan zu vermeiden.

Die NASA geht davon aus, dass ML-2 dreimal mehr kosten wird, als ursprünglich geplant. Während die Behörde 2019 noch schätzte, dass das gesamte Projekt unter 500 Millionen US-Dollar koste, stieg die Schätzung im Dezember 2023 auf rund 1,5 Milliarden US-Dollar. Davon entfallen 1,3 Milliarden US-Dollar auf den Bechtel-Vertrag, 168 Millionen US-Dollar umfassen andere Projektkosten. 2024 hat die NASA gegenüber dem US-Kongress die Kosten auf 1,8 Milliarden US-Dollar geschätzt, das Lieferdatum sei September 2027. Dazu habe die Behörde einen Kosten- und Zeitplan erstellt (Agency Baseline Commitment), in dessen Rahmen die NASA Bechtel dafür in die Verantwortung nehmen will, die Planungen aus Dezember 2023 einzuhalten.

Gegenüber den Behördenzahlen stehen vom Generalinspekteur erwartete Kosten: Jetzt stehen sogar 2,7 Milliarden Euro im Raum, die bis zur Lieferung durch Bechtel auflaufen könnten. Vor dem Frühjahr 2029 werde es auch nichts mit einem ersten Start, was die Planung für Artemis IV, die im September 2ß28 abheben soll, ebenfalls durcheinander wirft. Hier gibt es Meinungsdifferenzen mit NASA-Beamten, die von einer weniger starken Kostensteigerung ausgehen, nun, da Bechtel mit der Konstruktion des Launchers begonnen habe. Dies sei das Spezialgebiet der Firma, es sei jedoch unsicher, ob Bechtel eine bessere Leistung durch die Konstruktionsphase hindurch erreichen und aufrecht halten könne.

Haupttreiber der Kosten und Verzögerungen gingen dem Inspekteur zufolge auf das Konto von Bechtel. Der derzeitige Vertragsumfang von 1,1 Milliarden US-Dollar enthalte knapp 600 Millionen US-Dollar, die auf Bechtels Überziehungen zurückzuführen seien. 130 Millionen US-Dollar der Steigerungen seien ein Effekt der Covid-19-Pandemie. Bechtel habe den Arbeitsaufwand massiv unterschätzt. Zwischen Mai 2022 und Januar 2024 hätten sich die geschätzten Überstunden auf rund 850.000 Stunden verdoppelt. Die seien bei dem Versuch angefallen, die NASA-Zeitpläne einzuhalten. Das Unternehmen schätzte im Januar, 1,7 Millionen Stunden mehr zu benötigen als die im Mai 2022 angesetzten 4 Millionen Arbeitsstunden.

Der Generalinspekteur hebt hervor, dass die NASA zwar Schritte unternommen habe, das ML-2-Projekt zu "stabilisieren", jedoch wenig Optionen habe, Anreize für eine bessere Leistung des Auftragnehmers zu schaffen. Als Schlussfolgerung zieht der Generalinspekteur, dass die NASA das Projekt effizienter verwalten müsse. Die Beobachtungen aus dem ML-2-Projekt sollten festgehalten und für künftige Entwicklungen bezüglich Akquise, Vertrag und Projektverwaltung berücksichtigt werden. Konkret solle zudem eine tiefgehende Machbarkeitsstudie folgen, die Festpreisoption zu ziehen, und wenn die NASA zum Schluss käme, die Option nicht zu nutzen, sie aus dem ML-2-Vertrag zu streichen.

Nach 50 Jahren Abstinenz vom Mond soll das ambitionierte Artemis-Programm erstmals wieder Menschen zum Erdtrabanten bringen. Einige sehen darin jedoch auch die erste Etappe auf dem Weg zum Mars.

(dmk)