Assange in Straßburg: "Ich bin nicht frei, weil das System funktioniert hat"

Julian Assange trat erstmals nach seiner Freilassung öffentlich auf. Vor dem EU-Ausschuss für Recht und Menschenrechte kritisierte er die US-Justiz.

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LKW mit Werbefläche mit Julian Assange und dem Schriftzug "Don't extradite Assange. Journalism is not a crime"

(Bild: Katherine Da Silva/Shutterstock.com)

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Detlef Borchers

Bei seinem ersten öffentlichen Auftritt in Straßburg nach seiner Freilassung aus einem britischen Gefängnis betonte der Wikileaks-Gründer Julian Assange, dass er nicht "frei" gelassen wurde. "Ich bin heute nicht frei, weil das (Justiz-)System funktioniert hat, sondern weil ich mich schuldig bekannt habe, als Journalist gearbeitet zu haben." Assange trat vor dem in Straßburg tagenden EU-Ausschuss für Recht und Menschenrechte auf, der die abschreckende Wirkung seiner Inhaftierung auf die Menschenrechte untersuchte. Ein Bericht der Ausschussvorsitzenden Thorhildur Sunna Ævarsdóttir wird morgen in der parlamentarischen Versammlung diskutiert.

In der Anhörung vor dem Ausschuss für Recht und Menschenrechte erklärte Assange, dass die in der US-Verfassung eingeschriebene "Freiheit der Rede" offenbar nur für US-Amerikaner gelte. Europäer müssten jederzeit befürchten, dass sie unter Spionageverdacht verfolgt werden. Er machte den ehemaligen CIA-Direktor Mike Pompeo für diese Entwicklung verantwortlich, weil dieser als Außenminister unter US-Präsident Donald Trump dafür gesorgt habe, dass der veraltete Espionage Act wieder aktiviert wurde. Unter Rückgriff auf dieses Gesetz sei er mit 105 Jahren Haft bedroht worden und habe sich schuldig bekennen müssen, um das britische Gefängnis verlassen zu können, in dem er in Untersuchungshaft festgehalten wurde. Dafür machte er das nicht näher bezeichnete britische Establishment verantwortlich, das mit den USA zusammenarbeiten würde.

Mit Blick auf die heutige Zeit wurde Assange gefragt, was sich nach seiner Einschätzung in den 14 Jahren geändert habe, die er zunächst in der ecuadorianischen Botschaft und dann im Gefängnis Belmarsh verbrachte. "Ich sehe mehr Geheimhaltung und mehr Unterdrückung, aber auch mehr Selbstzensur bei Journalisten, was schlimm ist. Journalismus ist kein Verbrechen." Dafür bekam er anhaltenden Beifall. Mehrmals verwies Assange auf die Zustände in Gaza, wo Nachrichten über das Geschehen vor Ort unterdrückt würden. Hier zog er den Vergleich mit einem vom US-Militär gesperrten Video aus dem Irak-Krieg 2007, das 2010 von Wikileaks unter dem Titel "Collateral Murder" veröffentlicht wurde.

Gegen Ende der Anhörung bedankte sich der sichtlich erschöpfte Australier bei allen demokratischen Fraktionen der parlamentarischen Versammlung für ihren Kampf um die Menschenrechte und den Einsatz für die Meinungsfreiheit. Er forderte sie auf, "den Kampf fortzusetzen". Wenn der Bericht über sein Verfahren und die Auswirkung auf die Menschenrechte in der parlamentarischen Versammlung vorgestellt und diskutiert wird, ist Assange als Zuschauer auf der Tribüne anwesend.

(mki)