Astronomie: Nächste Studie weckt Zweifel an Annahme zur Masse der Milchstraße

Beobachtungen anderer Galaxien haben zur Theorie der Dunklen Materie geführt. Jetzt erst mögliche Messungen in der Milchstraße passen aber nicht dazu.

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Helles Band am Sternenhimmel

Die Milchstraße

(Bild: ESA/Gaia/DPAC; CC BY-SA 3.0 IGO. Acknowledgement: A. Moitinho.)

Lesezeit: 3 Min.

Ein Forschungsteam in den USA hat bestätigt, dass Sterne am Rand der Milchstraße langsamer sind als erwartet. Der jetzt vorgestellte, "überraschende" Befund passt zu einer erst im Herbst publik gemachten Entdeckung. Zusammen deuten beide Analysen darauf hin, dass es in der Milchstraße weniger Dunkle Materie gibt, als angenommen, schreibt die Gruppe um den Astrophysiker Xiaowei Ou vom Massachusetts Institute of Technology. Beide beruhen auf den besonders präzisen Daten zu Positionen und Bewegungen von Sternen des ESA-Weltraumteleskops Gaia. Für die jetzt vorgestellte Analyse wurden diese aber mit Daten des Observatoriums im US-Bundesstaat New Mexico abgeglichen.

Wie die Gruppe um Xiaowei Ou nun erläutert, wurden Gaia-Daten zu 33.000 Sternen ausgewertet, darunter einige der am weitesten vom Zentrum der Milchstraße entfernt kreisenden. Die hätten die Gruppe um Daten des Apache Point Observatory Galactic Evolution Experiments (APOGEE) ergänzt, das am gleichnamigen Observatorium installiert ist. Ermittelt hat sie damit, wie schnell die Sterne jeweils in Relation zur Distanz unterwegs sind. Dabei habe sich bis zu einer gewissen Entfernung die Erwartung erfüllt, dass die sogenannte Rotationskurve flach geblieben ist. Aber weit draußen am Rand der Milchstraße würden die Sterne etwas langsamer kreisen als erwartet. Das Ergebnis passe nicht zu anderen Analysen und ein Verständnis dessen werde weitreichende Folgen haben, meint die Gruppe.

Auch wenn die Gruppe nun von einer Überraschung und Seltsamkeiten spricht, kommt das Ergebnis nicht völlig aus dem Nichts. Bereits im Herbst hat ein Forschungsteam Messungen auf Basis von Gaia-Daten vorgestellt, die in ähnlicher Weise Zweifel an dem geweckt haben, was wir über die Milchstraße zu wissen meinen. Schon damals hieß es, dass die bislang genaueste Rotationskurve für eine Spiralgalaxie nicht flach ist. Anders als bei der für die Milchstraße sind die anderen das aber. Damit folgen Sterne in unserer Heimatgalaxie dem Dritten Keplerschen Gesetz, verhalten sich aber ganz anders als Sterne in anderen Galaxien, wo diese Abnahme nicht beobachtet wurde. Dieser Fund war überhaupt erst eine der Grundlagen für die Entwicklung der Theorie der Dunklen Materie.

Während die Gruppe um Xiaowei Ou vorsichtig schreibt, dass ihr Fund darauf hindeute, dass es in der Milchstraße weniger Dunkle Materie gibt, gab es im Herbst konkrete Zahlen. Damals hieß es, dass die Gesamtmasse der Milchstraße lediglich 200 Milliarden Sonnenmassen betragen kann, eigentlich geht man von 1,5 Billionen aus. Auf reguläre Materie entfallen demnach etwa 60 Milliarden Sonnenmassen, der – möglicherweise deutlich kleiner gewordene – Rest entfällt auf Dunkle Materie. Gleichzeitig würde das aber noch nicht heißen, dass es sich bei anderen Galaxien genauso verhält. Der Unterschied könnte sich auch aus der vergleichsweise ruhigen Geschichte der Milchstraße ergeben. Die neue Studie wurde jetzt in den Monthly Notices of the Royal Society Journal veröffentlicht.

(mho)