Atomkraft: Drei Prüfer haben im AKW Philippsburg getäuscht
Nach jüngsten Erkenntnissen waren an vorgetäuschten oder nachdatierten Sicherheitsprüfungen drei Mitarbeiter beteiligt. Der zuständige Umweltminister will nun, dass die Kriterien für meldepflichtige Ereignisse verschärft werden.
Die Affäre um vorgetäuschte Sicherheitsprüfungen im baden-württembergischen Atomkraftwerk Philippsburg ist größer als ursprünglich vom Betreiber EnBW dargestellt. Über den einen, vorige Woche bekannt gewordenen Fall eines Mitarbeiters einer externen Firma sind zwei weitere Angestellte dieser Firma beteiligt.
Eine von EnBW eingesetzte Task Force habe nun ermittelt, dass in neun Fällen die Prüfung von Messeinrichtungen zur radiologischen Überwachung im abgeschalteten AKW Philippsburg 1 nur vorgetäuscht wurden, wie der Betreiber nun mitteilt. Ursprünglich war von acht Fällen die Rede. An allen nun insgesamt neun Fällen war der externe Mitarbeiter beteiligt. Achtmal habe er mit Unterschrift bestätigt und damit vorgetäuscht, die Prüfung jeweils selbst durchgeführt zu haben. In einem Fall habe ein zweiter externer Mitarbeiter mit Unterschrift bestätigt, dass der erste Mitarbeiter die Prüfung durchgeführt habe, ohne dass dies den Tatsachen entsprach.
Nicht korrekt vermerkter Prüftermin
In weiteren 15 Fällen ist neben den bisher genannten ein dritter Mitarbeiter desselben Teams einer Fremdfirma involviert. Dieser habe Messeinrichtungen zur radiologischen Überwachung im AKW Philippsburg 2 zwar fachlich korrekt durchgeführt, den Ausführungstermin ist im Protokoll aber nicht korrekt vermerkt. Die Protokolle seien rückdatiert worden, um zu verschleiern, dass die Prüftermine ursprünglich verpasst wurden, wie der SWR berichtet.
Es gebe bisher keinerlei Anzeichen dafür, dass sich Mitarbeiter von EnBW Kernkraft GmbH (EnKK) fehlverhalten hätten. Laut EnBW liegen keine Erkenntnisse vor, dass die drei externen Mitarbeiter auch an den anderen Standorten des Unternehmens eingesetzt wurden. "Die Anlagen in Philippsburg waren jederzeit in einem stabilen und sicheren Zustand. Es besteht und bestand zu keiner Zeit eine Gefährdung für Mensch und Umwelt."
Die Aufsichtsbehörde, das baden-württembergische Umweltministerium, hat bestätigt, dass die Vorfälle nach der atomrechtlichen Meldeverordnung nicht meldepflichtig sind. Allerdings will Umweltminister Franz Untersteller zusammen mit den Atomaufsichtsbehörden in Bund und Ländern die Kriterien verschärfen, die bei Störfällen und sonstigen Ereignissen in einer atomaren Anlage eine Meldepflicht an die Behörden auslösen.
Möglicherweise mehr als die aktuellen Fälle
Wegen der fehlenden Meldepflicht könne man nicht sicher sein, dass es nicht bereits früher ähnliche Fälle wie die jetzt aktuell diskutierten in Biblis und Philippsburg gegeben habe, meint Untersteller. "Ich plädiere deshalb dafür, eine bundesaufsichtliche Abfrage in allen deutschen Atomkraftwerken durchzuführen." Vorige Woche war bekannt geworden, dass auch in Biblis Sicherheitsprüfungen vorgetäuscht wurden.
Das AKW Philippsburg 2 wurde am 8. April 2016 planmäßig zur Jahresrevision heruntergefahren. Die Revisionsarbeiten finden wie üblich unter der Aufsicht des Umweltministeriums statt und werden – ebenfalls wie üblich – zusätzlich von Gutachtern des Ministeriums begleitet. Wie sonst auch brauche EnBW die Zustimmung des Ministerium, um die Anlage wieder anzufahren. Damit versucht EnBW offenbar dem Eindruck entgegenzuschreiben, Philippsburg 2 sei wegen der vorgetäuschten Prüfungen abgefahren worden.
Drei AKW sind noch in Deutschland in Betrieb (7 Bilder)
(anw)