Atomkraft in der Ukraine: Gefahr durch Kampfhandlungen und Bedienfehler

Das Bundesamt für Strahlenschutz hat analysiert, welche Gefahren von Kriegshandlungen um Atomkraftwerke in der Ukraine ausgehen. Von Jodtabletten rät es ab.

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Besuch ukrainischer Regierungsangehöriger am Umspannwerk Kachowska im Dezember 2020.

(Bild: kmu.gov.ua)

Lesezeit: 2 Min.

Das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) hat analysiert, welche Gefahren für und durch Atomkraftwerke ausgeht, die in der Ukraine stehen. Die entscheidende Frage sei, ob sie angesichts der Kampfhandlungen sicher sind, sagte BfS-Leiter für Notfallschutz Floran Gering. Dabei gehe es nicht allein durch die Beschädigung von Reaktoren durch Beschuss, sondern auch um die Stromversorgung, denn Reaktoren benötigen Energie, um gekühlt zu werden.

Ein weiterer Faktor sind die Bedienmannschaften in den Atomkraftwerken, erläutert Gering in der Welt. Schichtwechsel seien nicht immer möglich, die Mitarbeiter seien übermüdet, stünden unter Bedrohung und psychischem Druck. Damit steige die Gefahr von Bedienfehlern. Die 15 Reaktoren an vier Standorten in der Ukraine seien nicht älter, unmoderner und in schlechterem Zustand als andere AKW in Europa, sagte Gering. Es seien jüngere und besser geschützte Baureihen als der 1986 explodierte Block 4 in Tschernobyl.

Welche Gefahren durch Freisetzung von radioaktiven Stoffen für die Bundesrepublik bestehen, hat das BfS laut dem Bericht anhand verschiedener Szenarien am Fall der sechs Reaktoren im AKW Saporischschja durchgespielt. Die Auswirkungen für Deutschland wären gering, in 17 Prozent der Wetterlagen würden überhaupt radioaktive Stoffe nach Westen getragen. Gefährdet seien aber viel mehr die Menschen vor Ort.

Gering warnt eindringlich davor, eigenständig Jodtabletten einzunehmen. Eine Selbstmedikation berge erhebliche gesundheitliche Risiken und habe ohne konkreten Anlass keinen Nutzen. Nach dem Brand auf dem Gelände des AKW Saporischschja war in Deutschland die Nachfrage nach Jodtabletten stark angestiegen. "Allerdings kaufen die Leute die falschen Tabletten, viel zu gering dosiert, sie helfen gegen Schilddrüsenerkrankungen", heißt es von der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände. Die Dosierung liege im Mikrogrammbereich. Bei atomarer Bestrahlung werde eine Dosierung um das Tausendfache höher benötigt.

Das stillgelegte Atomkraftwerk Tschernobyl wurde von den Russen kurz nach dem Einmarsch eingenommen, darauf folgte Saporischschja, nun soll russisches Militär auf dem Weg zum Atomkraftwerk Juschnoukrajinsk sein, auch AKW Südukraine genannt. Rafael Mariano Grossi, Generaldirektor der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) wird nicht müde zu Vorsicht aufzufordern und dazu, dass die Belegschaft der AKW dringend Ruhepausen benötigt.

Zusammen mit der IAEA beobachtet das BfS die Lageentwicklung in der Ukraine intensiv. Sämtliche Messeinrichtungen – auch in der Ukraine und deren Nachbarländern – würden regelmäßig überwacht, darunter auch die Spurenmessstelle auf dem Schauinsland bei Freiburg.

(anw)