Atommülllager Asse II: Veränderter Wasserzufluss sorgt Experten

Die Pläne, seit etwa 50 Jahren dort gelagerten Atommüll aus dem Bergwerk Asse II zurückzuholen, sehen Umweltschützer in Gefahr.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 170 Kommentare lesen

Die meisten Abfälle wurden mit Radladern in der Asse abgekippt.

(Bild: BGE)

Lesezeit: 4 Min.

Im Atommülllager Asse II bei Wolfenbüttel in Niedersachsen nimmt das seit langem einsickernde Salzwasser seit Anfang dieses Jahres neue Wege. Die Gründe für den veränderten Salzwasserzutritt sind bisher unklar, schreibt die Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE). Sie arbeite intensiv daran, die Ursachen zu ermitteln.

Seitdem sich im April dieses Jahres der Wasserzufluss in tieferen Lagen verstärkt hat, sehen Fachleute und Politiker Pläne in Gefahr, den in dem ehemaligen Salzbergwerk gelagerten Atommüll und andere dort deponierte Giftstoffe zurückzuholen. Bundesumweltministerin Steffi Lemke äußerte vorige Woche ihre Besorgnis.

In der instabilen Schachtanlage liegen in 13 Kammern 125.787 Fässer mit schwach- und mittelradioaktiven Abfällen, die dort von 1967 bis 1978 eingelagert worden waren. Außerdem lagern dort nicht mehr zugelassene Pestizide. "Weder die Geologie der Asse, noch das Bergwerk selbst eignen sich für die Lagerung radioaktiver Abfälle", beschreibt die BGE die grundsätzliche Lage. In dem instabilen Bergwerk bilden sich Risse, durch die salzhaltiges Wasser eintritt. Dieses wird aufgefangen und entsorgt, damit es nicht in Kontakt mit den radioaktiven Abfällen kommt.

Fließwege des zutretenden Salzwassers können sich verschieben oder das Auffangsystem an der Hauptauffangstelle verändert werden. Langfristig kann laut BGE nicht ausgeschlossen werden, dass durch den Wassereintritt radioaktive Stoffe freigesetzt werden. "Aktuell besteht keine Gefahr, weder für die Böden noch für das Grundwasser", erläuterte Clemens Walther vom Institut für Radioökologie und Strahlenschutz der Leibniz Universität Hannover der FAZ in einem Interview. "Die Asse II liegt so tief, dass sie keinen Kontakt zu irgendwelchen Grundwasserleitern im Erdreich hat. Sollte die Asse II irgendwann vollständig mit Wasser geflutet werden, könnten die oberen Bereiche mit dem Grundwasser in Kontakt kommen."

Es sei aber nicht der Fall, dass die Asse jetzt gleich "absaufen" würde, wie zum Teil zu lesen sei, sagte Walther weiter. Asse II hatte 3,6 Millionen Kubikmeter an Hohlräumen, die heute zum Teil mit Fässern und auch mit Salzgrus gefüllt sind. 12 Kubikmeter, die täglich an Wasser zulaufen, seien eher gering. In Bergwerken im Kristallingestein dringe diese Menge pro Minute ein.

Von den 12 Kubikmetern lässt sich etwa die Hälfte nicht mehr aufhalten und verschwindet durch eine inzwischen undicht gewordene Folie, die das Wasser auffangen soll, zitiert die Frankfurter Rundschau BGE-Chefin Iris Graffunder. Es sei nicht vollkommen planbar, wie sich der Berg entwickelt. "Durch diese starke Veränderung des Wasserzutritts sind wir alarmiert", sagte Graffunder der Braunschweiger Zeitung.

Ein Teil der Notallpläne ist, das Bergwerk gegenzufluten, wenn der Lösungszutritt so stark zunimmt, dass er technisch nicht mehr beherrschbar ist. Dies sei derzeit nicht der Fall, erläutert die BGE. Die Atomkraft-Gegner der Initiative "ausgestrahlt" kritisieren, die BGE habe als Betreibergesellschaft die Asse nicht im Griff. "Statt eine absichtliche Flutung des Bergwerks vorzubereiten, muss die BGE mit aller Kraft an der Bergung des dort abgekippten Strahlenmülls arbeiten", hieß es von ihr Mitte dieses Monats. "Alles andere hätte unkalkulierbare Folgen für die Gesundheit der Bevölkerung und der Umwelt der ganzen Region."

Mehr Infos

Die BGE informiert am 28. Mai 2024 um 19 Uhr in einer Online-Veranstaltung über Asse II.

Die Situation in der Asse II zeige, "wie weit entfernt wir davon sind, Vorgänge im tiefen Untergrund vorhersagen zu können", schreibt "ausgestrahlt" weiter. Das sollte auch für die aktuell laufende Endlager-Standortsuche und andere Atommüll-Projekte wie Schacht Konrad eine Warnung sein.

Nach bisherigen Plänen sollen die tausenden Atommüllfässer ab 2033 zurückgeholt werden. Allein die Vorbereitungsarbeiten dafür sollen 4,7 Milliarden Euro kosten. Die Abfälle sollen über ein neues Rückholbergwerk geborgen, in einer Abfallbehandlungsanlage behandelt und sicher verpackt werden, bevor sie in ein Zwischenlager gebracht werden können.

(anw)