Auf der Suche nach Innovation: Bundesagenturen mit besonderem Auftrag

Es muss ein Vorher und ein Nachher geben. Sprunginnovation könne neue Märkte erschaffen und bestehende zerstören. Von Projekten, die kein anderer finanziert.

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(Bild: Tatiana Shepeleva/Shutterstock.com)

Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Inga Jahn
  • dpa
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Nur wenige Kilometer von der Ländergrenze zwischen Sachsen und Sachsen-Anhalt hat die Bundesrepublik gleich zwei Agenturen, die auf der Suche nach den sogenannten Game-Changern sind. "Intern nennen wir uns die Schokoladenfabrik. Wir bekommen jeden Tag zehn Pralinen präsentiert", sagte der Gründer und Chef der Bundesagentur für Sprunginnovationen (Sprin-d), Rafael Laguna de la Vera.

Im Auftrag des Bundesbildungs- und Bundeswirtschaftsministeriums sind er und sein Team auf der Suche nach neuen Technologien, die das Leben grundlegend verändern könnten, wie es das beispielsweise in den vergangenen Jahrzehnten das Internet getan hat. Das Budget der Agentur ist in den vergangenen Jahren stetig gestiegen: Während 2021 im Bundeshaushalt erst rund 47 Millionen Euro für die Agentur vorgesehen waren, sind es 2023 bereits mehr als 171 Millionen Euro.

"Für echte Innovationen ist es tödlich, wenn wir Risiko gar nicht mehr eingehen können. Wenn man sowieso schon weiß, dass etwas geht, dann ist es keine richtig große Innovation", beschreibt Rafael Laguna de la Vera, gebürtiger Leipziger, seine Arbeit.

Für ihn gibt es eine einfache Regel für das, was er und sein Team eine Sprunginnovation nennen: Es muss ein Vorher und ein Nachher geben. "Das weiß man einfach und fragt sich: Wie konnten wir eigentlich vorher ohne diese Erfindung leben?" Eine Sprunginnovation habe auch Einfluss auf die Wirtschaft eines Landes, sie könne neue Märkte und Firmen erschaffen, bestehende Industrien hingegen kaputt machen.

"Wir schauen aber nur auf solche Innovationen, die das Leben möglichst vieler Menschen besser machen", sagt Laguna. So setzen sich unterschiedliche Teams unter dem Dach der 2019 gegründeten Agentur zum Beispiel damit auseinander, wie Alzheimer besiegt oder Mikroplastik aus dem Wasser entfernt werden kann. Dabei gibt es einen kleinen, festen Kern in der Agentur, der die Projekte unter anderem dabei unterstützt, Unternehmen zu gründen und damit selbstständig zu werden.

Ebenfalls auf der Suche nach Innovationen ist das Team der 2020 gegründeten Cyberagentur in Halle, die dem Bundesverteidigungs- sowie dem Bundesinnenministerium zugeordnet wird. Ihr Budget beläuft sich eigenen Angaben zufolge seit ihrer Gründung bis 2023 auf zunächst 280 Millionen Euro.

Das Ziel der Cyberagentur ähnelt zwar dem der Bundesagentur für Sprunginnovationen, doch der thematische Schwerpunkt der in Halle gesuchten Projekte lässt sich viel klar eingrenzen: "Wir finanzieren Forschungsprojekte, die etwas mit Cybersicherheit zu tun haben, für die innere oder äußere Sicherheit von Bedeutung sind und die ein hohes Risiko des Scheiterns – mindestens 90 Prozent – haben", erklärt Geschäftsführer Christian Hummert.

Das könne bedeuten, dass es auch mal keine Antwort auf eine Frage gebe. "Wir sollen solche Projekte finden, die kein anderer finanziert, weil niemand daran glaubt, dass das was werden kann – aber wenn es klappen würde, wäre es so cool, dass es Cybersicherheit auf ganz neue Füße stellen würde."

Die Aufgaben der Cyberagentur soll ein bis zu hundertköpfiges Team erfüllen, lautete das Ziel der Agentur. Anfang des Jahres arbeiteten mehr als 50 Menschen dort – genauso wie bei der Leipziger Innovationsagentur haben sie unterschiedlichste fachliche Hintergründe. Neben technisch versierten Menschen braucht es in beiden Agenturen beispielsweise auch Finanz-Experten.

Jedoch rette sein Team keine Landkreise, wenn sie gehackt werden und trage auch nicht dazu bei, ein Smartphone sicherer zu machen, sagt Hummert. "Wir haben zum Beispiel ein Projekt, da geht es um homomorphe Verschlüsselungen, das ist ein ziemlich abstraktes Ding." Diese könnte ermöglichen, auf verschlüsselten Daten Berechnungen durchzuführen. "Wir könnten dann zum Beispiel geheime Daten in eine chinesische Cloud geben, die Chinesen können darauf Berechnungen treffen und wir kriegen das Ergebnis zurück und könnten uns sicher sein, dass niemand die Daten eingesehen hat."

In einem anderen Projekt, das die Cyberagentur finanziere, beschäftigten sich Experten mit dem mobilen Quantencomputing. "Es ist kein Geheimnis, dass wir nicht den ersten Quantencomputer bauen. Das werden IBM oder Google machen. Die stellen sich das dann sicher so vor, dass sie einen oder zwei bauen und wir unsere Daten zu ihnen schicken." Das sei aber nicht der Ansatz, an dem die Cyberagentur beispielsweise auf Wunsch der Bundeswehr oder des Technischen Hilfswerks arbeite. Stattdessen habe sie eine Forschung initiiert, um den Quantencomputer mobil zu machen. "Dann haben wir was anzubieten und können zusammenarbeiten. Das schafft Souveränität und Augenhöhe."

Oft werde Hummert darauf angesprochen, warum es zwei Behörden für Innovationen brauche. Die Debatte sei er langsam leid. "Wollen wir wirklich eine gigantische Behörde, die alles macht? Das ist doch Quatsch", sagt er. Mit Schnellbooten – so versteht er beide Agenturen – sei die Bundesrepublik besser beraten. Dennoch treffen er und Laguna sich regelmäßig, um sich auszutauschen. "Wir haben natürlich auch Projekte, an denen wir beide interessiert sind."

Auch Laguna beschäftige sich damit, seine Agentur stets "frisch zuhalten", sagt Hummert in Halle. Während sich die Cyberagentur vornehmlich um die Finanzierung ihrer Projekte kümmert, begleitet die Sprunginnovationsagentur ihre Projekte auch inhaltlich, gründet dafür Tochterfirmen. "So bleiben wir innovationstauglich. Man muss aufpassen, dass die Organisation selber nicht erstarrt", erläutert Laguna. "Die Idee ist, dass die Leute hier ihre Innovationen durchziehen können; dass hier die finanziellen Voraussetzungen und das Team geschaffen werden, mit dem sie ihre Visionen umsetzen können." Ob das gelinge, müsse sich aber erst noch zeigen.

(bme)