Aufsichtsgremium: Facebook darf Slogan "Tod für Chamenei" nicht sperren

Der persische Slogan "Tod dem ..." sei keine direkte Gewaltandrohung, meint das Oversight Board von Facebook. Der Kontext müsse stärker beachtet werden.

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(Bild: Alexandros Michailidis/Shutterstock.com)

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Das unabhängige Aufsichtsgremium von Facebook, das Oversight Board, hat entschieden, dass Einträge mit dem persischen Slogan "Tod für Chamenei" ("مرگ بر خامنه") nicht den Gemeinschaftsregeln widersprechen. Der für die Entscheidung ausschlaggebende Facebook-Eintrag hätte auch dann nicht gesperrt werden dürfen, wenn ihm kein nachrichtlicher Wert zugeschrieben worden wäre. Wichtig sei der Kontext und auch ein Verständnis der größeren sozialen, politischen und linguistischen Situation im Iran. Es handle sich um einen politischen Slogan, der als ein "Nieder mit ..." verstanden werden müsse und nicht als glaubwürdige Drohung in Richtung des religiösen Oberhaupts der Islamischen Republik.

Die jetzt bekannt gemachte Entscheidung korrigiert den Umgang auf Facebook mit dem Slogan, auch die Meta-Tochter Instagram war diesbezüglich bereits in die Kritik geraten. Dort wurden Beiträge gelöscht, in denen Slogans wie "Tod dem ..." verbreitet wurden, gemünzt etwa auf den "Diktator" – das religiöse Oberhaupt Ali Chamenei –, den Präsidenten Ebrahim Raisi oder die paramilitärische Miliz Basidsch. Anders als etwa beim Umgang mit durchaus drastischer Kritik am russischen Präsidenten Wladimir Putin nach Beginn des Angriffskriegs gegen die Ukraine wertete Meta diese als verbotene Gewaltandrohung. Mit der Sperrung solcher Einträge sei dem Regime in Teheran mindestens indirekt geholfen worden, war kritisiert worden.

Wie das Oversight Board anhand des behandelten Falles aus dem Juli des vergangenen Jahres nun ausführt, stehe das "Tod dem ..." in der persischen Sprache für "Nieder mit ...". In den vergangenen Jahren sei das wiederholt bei Protesten in Bezug auf Chamenei benutzt worden, in diesem Fall vor dem "Nationalen Hijab-Tag" im Iran. Zuerst wurde der Eintrag gesperrt und der verantwortliche Account eingeschränkt, dann habe Meta die Entscheidung aber teilweise zurückgenommen. Zwar verstoße der Text gegen die Richtlinien gegen Gewalt und Aufstachelung, er habe aber Nachrichtenwert, hieß es zunächst. Deswegen wurde er bereits wieder freigegeben. Dem widerspricht das Aufsichtsgremium nun und erklärt, dieser Nachrichtenwert sei zur Freigabe gar nicht nötig gewesen.

Es gebe für solche Slogans keine allgemeingültigen Regeln, der Zusammenhang sei jeweils wichtig. So müsse etwa ein möglicher Slogan "Tod für Salman Rushdie" anders bewerten werden. Gleiches gelte für "Tod für ..." in Richtung von Politikern bei der Erstürmung des Kapitols in Washington D.C. Für die habe augenscheinlich ein Risiko bestanden und außerdem seien solche Statements in der englischen Sprache nicht üblich.

Das Gremium fordert noch, dass Meta in seinen Vorgaben für Moderatoren und Moderatorinnen die zentrale Rolle von Sprache und Kontext stärker berücksichtigt. In Bezug auf den Iran müssten das Recht auf freie Meinungsäußerung stärker respektiert und rhetorische Drohungen erlaubt werden. Es sei von zentraler Bedeutung, dass die Nutzer und Nutzerinnen dort eine Stimme hätten. In dem Land protestieren seit Monaten Menschen unter großer Gefahr gegen das Regime. Bei Facebook habe man sich etwa auf den anstehenden Feiertag – der oft für Proteste genutzt wird – vorbereiten müssen. Schließlich kritisiert das Oversight Board noch, dass Einsprüche gegen Entscheidungen automatisch geschlossen würden.

(mho)