Aus für den Neuen Markt wirft Fragen bei Anlegern auf

Was passiert eigentlich, wenn ein ganzer Aktienmarkt verschwindet, fragen sich seit gestern viele Anleger und offenbar wissen auch einige Berater keine Antwort auf diese Frage.

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Von
  • Jörg Birkelbach

Was passiert eigentlich, wenn ein ganzer Aktienmarkt verschwindet, fragen sich seit gestern viele Anleger und offenbar wissen auch einige Berater keine Antwort auf diese Frage. "Die Auswirkungen der Entscheidung der Deutschen Börse, das Marktsegment Neuer Markt zu schließen, betrifft den Markt für Optionsscheine, Aktienanleihen, Discount-Zertifikate und Endloszertifikate nur in einem begrenzten Umfang", so Wolfgang Gerhardt, Derivate-Experte bei Sal. Oppenheim.

Begrenzt deshalb, weil sich der Niedergang des Neuen Marktes dort schon länger abgezeichnet hat: "Die Zahl der Produkte ist zurückgegangen, nicht zuletzt auch wegen der geringen Nachfrage der Anleger", so die Einschätzung des Experten. Produkte mit einer Laufzeit bis Dezember 2003 werden bis zum Ende der Laufzeit fortgeführt, für Produkte mit einer Laufzeit über das Jahr 2003 hinaus wird es nach seiner Auffassung mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer außerordentlichen Kündigung durch die Emittenten kommen, es sei denn, die Deutsche Börse wird einen Ersatzindex berechnen. In jedem Fall handelt es sich nach der Schließung des Neuen Marktes nur noch um eine rechnerische Weiterführung. "Ein Index ist immer auch der Kristallisationspunkt einer Investmentidee: ein Nemax 50 in diesem Sinne die einigende Klammer des Neuen Marktes so wie der DAX 30 die einigende Klammer des deutschen Blue Chip Segmentes sein wird".

Da diese einigende Klammer ab Januar 2003 wegfällt, wird der Index zu einer reinen Rechengröße der Kursentwicklung ausgewählter Aktien. Erratische Schwankungen werden dann nicht auszuschließen sein. "Deshalb sollten die Anleger bereits jetzt handeln und Produkte auf den Nemax 50 nicht mehr kaufen und Depotbestände allmählich auflösen", so der Tipp vom Derivate-Experten. Anleger, die Put-Optionsscheine oder Turbo-Bear-Produkte im Depot haben, also Instrumente, die von fallenden Kursen profitieren, können sich wahrscheinlich über substantielle Gewinne freuen.

Ist das Ende der steuerlichen Spekulationsfrist nicht fern, so sollte der Anleger möglicherweise versuchen, die Gewinne steuerfrei zu realisieren. "Hat der Anleger sich jedoch erst vor kurzem engagiert, so sollte er sich nicht vor einem Obolus an den Finanzminister scheuen, zumal er die Gewinne mit Vorträgen aus Spekulationsverlusten verrechnen kann. Früher optimistische Anleger mit Calls oder Zertifikaten sollten ihre Verluste realisieren. Geschieht dies innerhalb der Einjahresfrist, so können diese Verluste mit Spekulationsgewinnen verrechnen oder auf kommende Jahre vortragen", so die Empfehlung von Wolfgang Gerhardt.

Inhaber von Investmentfonds wähnten sich bislang stets auf der sicheren Seite, entsprechend hoch sind ihre Sorgen heute. Diese sei aber unbegründet, so Stephan Graf Walderdorff, Geschäftsführer der Monega KAG. "Zwar soll der Index Nemax 50 aufgelöst werden, trotzdem bleiben natürlich die Aktien der Unternehmen weiterhin börsennotiert."

Durch die längst überfällige Neusegmentierung und die Einführung neuer Pflichten für die notierten Unternehmen soll zusätzliche Transparenz geschaffen werden, so seine Erwartung. "Somit werden in Zukunft statt der Nemax-Index-Familie andere Indizes als Benchmark dienen, die dann sicherlich entsprechend von Investmentfonds übernommen werden. Daher wird es auch ohne den Nemax 50 unseren Monega New Markets, der zu je 50 Prozent in den Nasdaq 100 und den Nemax 50 investiert, weiterhin geben", so Walderdorff. (Jörg Birkelbach) / (bb)