Ausprobiert: Facebooks iPhone-Zeitung 'Paper'

Mit der iOS-7-App Paper will Facebook den Magazin- und Nachrichten-Apps die Nutzerschaft abjagen und wagt zugleich den visuellen Neuanfang bei Newsfeed und Nutzer-Chronik. Mac & i hat sich die App näher angesehen.

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Das erste Produkt aus Facebooks neuem "Kreativlabor" heißt Paper – eine reine iPhone-App, die derzeit nur im US-App-Store zu finden ist. Die App stellt der gängigen Magazin- und Nachrichten-Konkurrenz eine eigene Auswahl an Themengebieten und Artikeln entgegen, dem generischen Namen und fehlendem Branding zum Trotz dient sie außerdem als erstaunlich funktionsreicher Ersatz für die Facebook-App selbst.

Paper hält eine Reihe von Themenbereiche zur Auswahl bereit

Paper meldet sich automatisch mit dem Account des Nutzers an, wenn dieser die Facebook-App bereits installiert hat und stellt – nach einem Einführungsvideo zur gestenbasierten Bedienung – eine Reihe an vorgefassten Themengebieten zur Auswahl. Diese reichen von allgemeinen Nachrichten über Technik, Sport, Wirtschaft, Lifestyle, Familie und Witzseiten bis hin zu ökologischen Themen sowie Gleichstellung.

Facebook hat sich dabei nicht gescheut, den sonst so zentralen Newsfeed mit den Inhalten der Freunde und gemochten Seiten zu degradieren: Dieser ist nur noch eine Sektion unter allen anderen und lässt sich problemlos auch an die hinterste Position verschieben – jedoch nicht ganz ausblenden.

Die Inhalte der verschiedenen Sparten stellt Facebook redaktionell zusammen, auch die Beliebtheit der Themen fließt ein – zudem arbeite man zur Aufbereitung der Inhalte mit Medienpartnern zusammen, erklärte das Unternehmen gegenüber Mac & i. Die Sektion "Headlines" ist beispielsweise gefüllt mit verschiedenen Meldungen aus klassischen US-Zeitungen sowie von Nachrichtenagenturen und Nachrichtensendern.

Facebooks iPhone-App Paper (5 Bilder)

Newsfeed in Paper-Optik

Paper zeigt auch den Newsfeed des Nutzers in neuer Gestalt – mit viel Bild, in Karten verpackte Inhalte und horizontale Navigation

Mit all diesen Inhalten lässt sich in Facebook-üblicher Weise interagieren, also kommentieren, "mögen" und Teilen. Selbst gängige Später-Lesen-Dienste wie Instapaper und Pocket werden zur Aufbewahrung der Texte unterstützt. Neu ist eine “Reshare”-Option, die die Meldung unmittelbar und unkommentiert an den eigenen Freundeskreis weiterreicht – deutlich angelehnt an Twitters populäre Retweet-Funktion.

Im Unterschied zu anderen Magazin-Apps wie Flipboard oder Zite bleibt dem Nutzer keine Möglichkeit, die Quellen der einzelnen Themenbereiche zusammenzustellen. Sie werden auch nicht auf die spezifischen Interessen des Nutzers zugeschnitten. Das Entfernen einer spezifischen Quelle ist zwar möglich, aber sehr umständlich: Diese muss man in einem langwierigen Prozedere als uninteressanten Inhalt melden, den man künftig nicht mehr sehen möchte.

Die Navigation zwischen den Artikeln erfolgt rein horizontal – am oberen Ende wischt der Finger zur nächsten Sparte am unteren Ende zwischen den Meldungen der gewählten Sektion. Das sieht zwar hübsch aus, bei einhändiger Bedienung wird der Daumen aber stark beansprucht. Ein Tippen auf die in Kartenform präsentierten Inhalte öffnet diese jeweils im Vollbild, in Fotos zoomt die App hinein – das Schwenken des iPhones steuert dann den Bildausschnitt.

Die verlinkten Artikel öffnet die App in der integrierten Browseransicht, die sich in Zeitungsmanier auffaltet und durch eine Wischgeste wieder schließen lässt. Überhaupt erfreut die App mit allerhand Liebe zum Detail und einer lebendig wirkenden Bedienoberfläche mit flüssigen Übergängen. Hier hat sich bezahlt gemacht, dass Facebook seit Jahren hochkarätige Mobil-Entwickler einkauft. Papers Designchef Mike Matas hat zuvor unter anderem bei Apple an iOS- und OS-X-Software gearbeitet und war auch am Interface von Nests vernetztem Thermostat beteiligt.

Als attraktiver (und vorerst zudem werbefreier) Ersatz für die Facebook-App kann Paper überzeugen, selbst die Messenger-Funktion ist dort wieder integriert und Push-Benachrichtigungen kann man wahlweise von der Facebook-App zu Paper verlegen. Die Gesten-Bedienung gelingt nach kurzer Eingewöhnung schnell und problemos. Allerdings fehlen die Newsfeed-Konfigurationsmöglichkeiten aus der Facebook-App, um sich beispielsweise nur Inhalte bestimmter Facebook-Kontakte anzeigen zu lassen.

Für Facebook dürfte dies ein praktischer Weg sein, einen visuellen Newsfeed-Neuanfang an interessierten Nutzern zu testen, ohne dabei das Multi-Millionen-Publikum der Facebook-App auf die Barrikaden zu bringen.

Als Alternative zu ausgefeilten Magazin-Apps löst Paper weniger Freude aus – neben der fehlenden Möglichkeit, Quellen zu konfigurieren, mangelt als auch an der Geschwindigkeit und Aktualität, die beispielsweise Twitter bietet.

Eine iPad- und eine Android-Version von Paper seien zwar grundsätzlich "denkbar", erklärte Facebook auf Nachfrage, "ob und wann" diese erscheinen, bleibt aber offen – auch zu einer internationalen Verfügbarkeit der App hat das Unternehmen bislang keine Informationen veröffentlicht. (lbe)