Gamescom

Ausprobiert: Project Natals revolutionäre Bewegungserkennung

Die kommende 3D-Kamera der Xbox 360 verspricht ein völlig neues Spielerlebnis. heise online hat sich angesehen, wie gut das Echtzeit-Motion-Capturing tatsächlich funktioniert.

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Als Microsoft auf der E3 erstmals seine neue Kamerasteuerung Project Natal präsentierte, visionierte der Software-Konzern von einer völlig neuartigen, intuitiven Eingabemethode ohne störende Steuergeräte. Doch die Konkurrenz von Nintendo und Sony wetterte, dass eine Kamerasteuerung niemals so genau sein könne, wie ein Controller mit Knöpfen. In Köln konnten wir uns auf der Gamescom bei einem kurzfristig anberaumten Termin selbst ein Bild davon machen, wie gut die 3D-Kamera tatsächlich funktioniert, und was für neue Steuerungs- und Spielkonzepte mit ihr umsetzt werden könnten.

Fotos und technische Detailfragen waren nicht erlaubt. Microsoft will mit seiner Vorführung zeigen, dass Natal real ist und wirklich funktioniert – und das gelang ihnen innerhalb der 20-minütigen Probe zweifelsohne. Die Journalisten konnten zunächst zwei verschiedene Demoprogramme selbst ausprobieren, die zum einen die Reaktionsgeschwindigkeit des Systems und die Sensibilität demonstrierten. Bei einem Squash-Spiel musste der Spieler Bälle auf eine Bauklotzwand schießen und abwehren. Dazu setzte er Arme, Beine und sogar die Hüften ein. Die Kamera erkannte jeden Probanden auf Anhieb, ohne vorher kalibriert werden zu müssen. Eine virtuelle Spielfigur auf dem Bildschirm bewegte sich nahezu verzögerungsfrei zum Spieler, riss Arme und Beine hoch und kreiste mit den Hüften.

Bei der zweiten Demonstration wurde das Spiel "Burnout Paradise" für Natal so umkonfiguriert, das der Spieler mit beiden Fäusten den Wagen lenken konnte. Gas gab er, indem er den rechten Fuß nach vorne und zum Bremsen nach hinten stellte. So ließen sich die Wagen selbst bei hohem Tempo exakt zwischen Leitplanke und Gegenverkehr steuern.

Im Anschluss zeigte Microsoft die genauere Funktionsweise der Kamerasensoren und der Erkennungs-Software. Die Natal-Kamera zeichnet sowohl ein optisches wie auch ein Infrarotbild auf. Dadurch kann sie den Spieler auch bei schlechten Lichtverhältnissen erkennen. Die Software errechnet aus dem optischen und Wärmebild sowie den Tiefeninformationen ein Skelett, das jede Bewegung des Spielers nachvollzieht. Ohne sonst übliche Markierungskugeln vollführt das System ein Motion-Capturing des gesamten Körpers in Echtzeit. Das Skelett besteht aus 48 Elementen, umfasst Kopf, Torso, Arme, Beine und Füße, aber keine einzelnen Finger. In einem weiteren Fenster war eine korrespondierende Polygonfigur mit der Körperform des Spielers zu sehen.

Das Körpertracking wird selbst dann nicht gestört, wenn Möbel oder Personen den Spieler teilweise verdecken. Bis zu vier Spieler gleichzeitig kann das System überwachen. Diese können sich in einen relativ großen Bereich vor der Kamera bewegen. Erst bei vier bis fünf Metern Entfernung verlieren die Sensoren Kontakt.

Microsoft hat nach eigenen Angaben bereits viele Development-Kits nach der E3 an Entwickler verschickt, die nun nach neuen Spielkonzepten für das Motion-Tracking suchen. Für Renn- oder auch Quizspiele (wie in einem Demofilm zu sehen) mag das System weniger taugen, da man hier lieber richtige Lenkräder oder Buzzer in der Hand hält. Sehr gut würden sich aber Sport- und Kampfspiele eignen. In Action-Spielen, Adventures oder Rollenspielen könnte der Spieler die Bewegungen der Spielfigur 1:1 mit seinem Körper steuern. Das System ließe sich auch nahtlos mit weiteren Steuergegenständen wie Pistolen oder Schwertern kombinieren.

Mit Hilfe des Kopftrackings ließe sich auch leicht eine Pseudo-3D-Darstellung umsetzen, wenn die Kamerabewegungen des Spiels dem Kopf des Spielers folgen. So ließen sich auf normalen Fernsehern dreidimensionale Bildeindrücke ohne aufwendige stereoskopische Bildberechnung und Filterbrillen realisieren. Aber sicherlich fallen den Entwicklern noch viele weitere Ideen ein. Natal schafft die technischen Voraussetzungen für völlig neue Konzepte.

Nicht gezeigt wurde derweil die Gesichts- und Stimmerkennung. Diese würde derzeit von Peter Molyneux bei Lionhead für sein Projekt "Milo & Kate" weiterentwickelt. Auch wollte Microsoft nicht die Aussage von der E3 bestätigen, nach der zum Start von Natal jede Xbox 360 mit der 3D-Kamera ausgeliefert werde. Man evaluiere derzeit noch die beste Veröffentlichungs-Strategie, hieß es. Auf jeden Fall sei jede existierende Xbox-360-Konsole zu Natal kompatibel und könne später mit ihr nachgerüstet werden. Auch zum Starttermin hielt sich Microsoft bedeckt. Experten erwarten jedoch, dass das System zum Weihnachtsgeschäft 2010 auf den Markt kommen wird. (hag)