Autokonzerne gründen E-Commerce-Koloss

DaimlerChrysler, Ford und General Motors gründen ein gemeinsames Unternehmen, das alle ihre Einkäufe über das Internet abwickeln soll.

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Von
  • Jürgen Kuri

DaimlerChrysler, Ford und General Motors dürfen für sich in Anspruch nehmen, die drei größten Autokonzerne der Welt zu sein. Nun gründen sie auch noch ein Unternehmen, das mit einem Schlag zur weltgrößten E-Commerce-Firma für elektronischen Handel im Internet wird. Die drei Riesen tun sich zusammen, um ein neues Unternehmen auf den Weg zu bringen, das in Zukunft alle Einkäufe für die Drei über das Internet abwickeln soll. Angesichts der Umsätze der Konzerne mit ihren Zulieferern würde sich die neue Firma nicht nur im Bereich Business-to-Business (B2B), dem elektronischen Handel zwischen Unternehmen, sondern im ganzen Bereich E-Commerce an die Spitze setzen.

Ein Name für die neue Unternehmung steht noch nicht fest -- klar ist aber schon, dass sie noch im ersten Quartal 2000 gegründet werden soll und die drei Autobauer jeweils 25 Prozent der Anteile halten wollen. Der Rest soll nach den Plänen der Konzerne an die beteiligten Partner für den Aufbau des Internet-Auftritts gehen. DaimlerChrysler arbeitet dabei mit SAP zusammen. General Motors hatte schon mit CommerceOne die Firma TradeExchange für den Internet-Handel gegründet; und Ford war mit Oracle für AutoXchange im Boot. Inzwischen haben sich auch Renault und der von dem französischen Unternehmen kontrollierte japanische Autobauer Nissan dem Vorhaben angeschlossen.

Die neue Firma soll jedenfalls nach Aussagen der Beteiligten einen transparenten Weltmarkt für alle Autoteile schaffen. Die Konzerne wollen damit alle Zulieferfirmen, aber auch die Konkurrenten auf einem virtuellen Marktplatz zusammenbringen -- die Preise für Autoteile und Zulieferer-Dienstleistungen würden damit weltweit vergleichbar. Nach Angaben von Unternehmenssprechen rechnen die Autobauer damit, durch die Bündelung aller Einkäufe über das Internet Preisvorteile von bis zu 2.000 Mark pro produziertem Wagen zu erzielen.

Was den Konzernen recht ist, dürfte den Zulieferern allerdings noch lange nicht billig sein. Sprecher von DaimlerChrysler, Ford und General Motors sprachen selbst schon davon, dass der virtuelle Marktplatz für Autoteile Folgen für die engen Bindungen mittelständischer Zulieferer an Autohersteller in ihrer Nähe haben werde. Besonders in Deutschland, aber auch in anderen Ländern Europas und den USA, hat sich rund um die Produktionsstätten der Konzerne oft eine Infrastruktur von kleineren und mittleren Firmen angesiedelt, die praktisch nur für die jeweiligen Unternehmen Teile zuliefern. Während ein Konzern wie Bosch als Autozulieferer von einzelnen großen Autobauern noch relativ unabhängig ist, sind gerade die Mittelständler oft weit gehend abhängig vom jeweiligen Abnehmer -- haben aber bislang in vielen Fällen aber kaum internationale Konkurrenz zu befürchten, sondern können auf die enge, lokale Anbindung und regionale Vorteile pochen.

Der virtuelle Marktplatz stellt sie nun vor eine völlig neue Situation: Sie dürften sich einem verschärften Kostendruck und dem Zwang zu Konzentration und Fusion ausgesetzt sehen. Es muss dann wohl auch davon ausgegangen werden, dass die mittelständische Zulieferindustrie, die bislang einen großen Anteil an den Beschäftigtenzahlen der gesamten Autoindustrie hatte, angesichts sinkender Preise und nur weniger überlebender Firmen von einer Entlassungswelle überrollt wird -- keine guten Aussichten für den Arbeitsmarkt in der Bundesrepublik.

Hartmut Schauerte, Kartellrechtsexperte der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, warnte dann heute auch schon vor einem möglichen "Super-GAU" für die kleineren Teilelieferanten. Er forderte das Bundeskartellamt und die Wettbewerbshüter der EU-Kommission auf, die geplante "Bündelung der Nachfragemacht gegen Zigtausende mittelständischer Zulieferer in Europa" verschärft zu prüfen. Man müsse alles tun, um eine drohene "katastrophale Machtverschiebung zwischen Abnehmern und Zulieferern" zu verhindern. (jk)